Nachtfrüchte, danke für
die Pflaumen
Rolf Birkholz
Täglich schreiben, "was für ein vorhaben:
jeden tag / ein paar verse", heißt es in Andreas
Lehmanns Gedicht "projekt", "niemandem
nützlich und niemandem / ein sicheres versteck." Beispiele
dieses Unterfangens stellt er in seiner Sammlung ein
großes spiel, das alles vor. Damit führt
Herausgeberin Regine Mönkemeier die Reihe der Sonderhefte
ihrer Zeitschrift Der Dreischneuß weiter.
Angesichts seines ehrgeizigen Schreibprogramms empfiehlt
der Autor, Jahrgang 1977, quasi nach dem Prinzip Eichhörnchen,
vorsichtshalber zu sammeln: "den augenblick vergraben
für / die harten Tage, wenn es nichts / zu sehen,
zu entdecken gibt."
Ironisch wird ein Spielverlierer mit dem Hinweis auf das
große Fressen und Gefressenwerden in der Natur getröstet: "ein
großes spiel, das alles". Größer
kann das Spiel der Zweisamkeit ("im dunkeln")
sein: "das leuchten im dunkeln / bist du. weil ich
dich sehe, / sehe ich. das leuchten im dunkel / bist du."
In seinen meist knappen Gedichten bringt Lehmann auch das
Dilemma von Sehnsucht und Erfüllung auf den Punkt
oder formuliert einen schönen Dank für William
C. Williams' berühmtes Gedicht "Nur damit
du Bescheid weißt" – das
mit den Pflaumen im Eisschrank.
Der Autor ist ein geduldiger Jäger. "Flieht
dich die Sprache / bleibst dennoch auf der Lauer / bis
ein Wort sich öffnet // von selbst". Wort und
Zeit, Sprache und schleichende, zerfließende, verrinnende
Zeit sind Themen, die in Herbert-Werner Mühlroths Nachtlaub immer
wieder anklingen.
1963 im rumänischen Hatzfeld geboren, ist ihm Heimat "nur
ein Fleck auf der Landkarte // doch die Spuren / die wir
hinterlassen // sind tief eingeschnitten / in uns selbst".
Und: "Was in uns spricht / ist nicht unsere Stimme
/ was spricht, ist das / was Schwiegen geworden ist."
Solch sprechendes Schweigen prägt diese Gedichte,
in denen Mühlroth leise, zurückhaltend fast den
auf sich selbst fixierten Blick der Melancholie beschreibt,
die Zeit als "Totengräber" sieht und unbeirrt
daran festhält, dass Sprache die nackte Wahrheit erkennbar
machen könne ("Vorurteil").
Wort und Zeit fließen besonders fein im Titelgedicht
zusammen: "wo der Tag die Früchte der Nacht
trägt / webst du sie in einen Schleier aus Eis",
und "der Morgen trägt einen Anzug aus Reif". |