Rebus ist wieder da. Vor sechs Jahren hatte sein Schöpfer Ian Rankin den impulsiven Kriminalisten aus Edinburgh in den vorzeitigen Ruhestand geschickt. Nun taucht er als freiwilliger Mitarbeiter einer Sonderkommission wieder auf, die sich der Klärung sogenannter "kalter Fälle" widmet. Neue wissenschaftliche Methoden wie die DNA-Analyse erweisen sich dabei als ausgesprochen nützlich. Doch mag auch die Polizeiarbeit moderner geworden sein, Rebus ist noch immer der Alte. Weder die Zigaretten noch den Single Malt hat er sich abgewöhnt. Und auch seine Vorgehensweise ist so unorthodox wie eh und je. Wo andere einer rationalen Ermittlungstechnologie vertrauen, setzt Rebus auf seinen Instinkt und den persönlichen Kontakt. Hunderte von Meilen auf Schottlands engen Straßen mutet er seinem alten Saab zu, um den Fall der verschwundenen Mädchen zu klären. Sie alle waren auf dem Weg nach Norden, kamen aber niemals an. Tatsächlich findet Rebus eine Spur. Sie führt in die Gegend um Pitlochry, ungefähr siebzig Meilen nördlich von Edinburgh.
Eher unwillig unterstützt ihn dabei seine alte Mitarbeiterin Siobhan Clarke. Schließlich kann ein näherer Kontakt zu John Rebus karrieregefährdend sein. Nicht umsonst wird er von Malcolm Fox, einem internen Ermittler, dem Ian Rankin seit 2009 eine eigene Serie widmet, intensiv beschattet. Fox ist in beinahe jeder Hinsicht das Gegenteil von Rebus. Er trinkt keinen Alkohol, trennt pedantisch seinen Müll und hält sich strikt an polizeiliche Vorschriften. Eines allerdings haben die beiden Polizisten gemeinsam. Sie verfolgen ihre Ziele mit einer an Fanatismus grenzenden Hartnäckigkeit. Rebus pfeift auf alle Regeln, wenn es darum geht, einen Verdächtigen zu überführen. Dass Ian Rankin es im Unklaren belässt, ob er mit seiner Theorie richtig liegt, gehört zu den Stärken dieses klassisch konstruierten Kriminalromans. Aber auch Fox ist ein Held im Zwielicht. Es ist nicht auszuschließen, dass er Rebus aufgrund einer lange zurückliegenden persönlichen Kränkung zu Fall bringen will. Als geeignetste Methode, dieses Ziel zu erreichen, erscheint ihm schließlich, Rebus' Wunsch nach Wiederaufnahme in den Polizeidienst zu entsprechen. Das Duell kann weitergehen.
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Auch im karg besiedelten Nordschweden stehen Querelen im Strafverfolgungsapparat einer erfolgreichen Ermittlungsarbeit im Wege. Schließlich gehört zu jeder wackeren Polizistin ein eitler Bürokrat, dem es vor allem um die eigene Karriere geht. Carl von Post heißt das Ekel in Åsa Larssons Thriller Denn die Gier wird euch verderben. Während Kommissarin Anna-Maria Mella gemeinsam mit einer befreundeten Staatsanwältin bemüht ist, einen besonders fiesen Mordfall aufzuklären und gleichzeitig den siebenjährigen Enkel des Opfers vor weiteren Anschlägen zu schützen, freut sich von Post schon darauf, den beiden starken Frauen seine Niederlage in einem früheren Fall heimzuzahlen. Dass diese Hoffnung trügt, versteht sich von selbst. Zwar tappen die Ermittlerinnen noch einige Zeit spannungsfördernd im Dunkeln, doch dafür gestaltet sich die Auflösung des komplizierten Falles im letzten Drittel des Buches ausgesprochen rasant. Hier folgt Asa Larsson dem bewährten Muster der Detektivgeschichte britischer Prägung. Wie deren prominentester Vertreterin P. D. James gefällt es ihr, die Suche nach dem Mörder und seinem Motiv als groß angelegten Gesellschafts- und Familienroman zu erzählen. Das Ergebnis ist souverän konzipierte Spannungsliteratur für gehobene Ansprüche, die zugunsten eines hohen Identifikationspotenzials auf jedes ästhetische Risiko verzichtet. Respekt!
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Bleiben wir in Skandinavien, wo, wie man aus einschlägiger Krimierfahrung weiß, hinter jeder Ecke ein Serienmörder lauert. Die Identität eines solchen Psychopathen zu kennen, heißt allerdings noch lange nicht, dass man ihn seiner Taten überführen kann. Diese peinvolle Erfahrung bleibt auch dem Kopenhagener Kriminalisten Konrad Simonsen und seinem Team nicht erspart. Also kommt der schwer gestörte, aber hochbegabte Killer mit dem mächtigen Kindheitstrauma wieder auf freien Fuß, um wenig später zwei neue Opfer in seine Gewalt zu bringen - unter ihnen dummerweise die vorwitzige Polizistin Pauline, die meint, dem Bösewicht auf eigene Faust ein Geständnis entlocken zu können. Kein Wunder also, dass es auf Seite 385 heißt: "Im Morddezernat von Kopenhagen herrschte seit dem frühen Morgen hektische Betriebsamkeit". Verfasst hat dieses von der Idee her durchaus originelle Psychopathen-Epos das dänische Geschwisterpaar Lotte und Søren Hammer. Leider handelt es sich auch hier um einen jener Kriminalromane, die durch beherzte Kürzungen an Qualität gewinnen würden. Getrost könnte man beispielsweise auf die Hellseherin (?) verzichten, die von den Ermittlern gerne in privaten wie in dienstlichen Angelegenheiten konsultiert wird. Und auf etliche klischeeträchtige Floskeln - siehe oben - sowieso.
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Keine Seite zu viel hingegen schrieb der große amerikanische Erzähler Robert B. Parker, der seinen Arbeitstag streng durchorganisierte: "Ich schreibe drei oder vier Seiten am Tag. Ich stelle mir gewissermaßen einen Seitenzähler ein ... Wenn ich drei Seiten täglich sage, dann heißt das auch, dass ich drei Seiten schreibe. Wenn ich sage fünf, dann sind es auch fünf. Mein Quantum an Seiten hängt von der Abgabefrist und vom Gesamtplan ab ... Das ist das, was ich tue. Ich schreibe meine Seiten herunter." Nachlesen kann man diesen Einblick in die Werkstatt eines absoluten Profis in dem schönen Nachwort, das Frank Göhre für die Neuausgabe von Parkers erstem Jesse-Stone-Krimi verfasst hat. Jesse Stone ist ein alkoholabhängiger Cop aus Los Angeles, den es in die Kleinstadt Paradise in Massachusetts verschlägt, wo die Welt noch in Ordnung scheint. Doch es wird schnell klar, warum die Honoratioren des Städtchens ausgerechnet einen Säufer, der aus seinem letzten Job geflogen ist, zum Polizeichef gemacht haben. In Paradise ist nichts, wie es scheint. Aber auch Jesse Stone ist mitnichten der unfähige Bulle, den die Stadtväter glauben eingestellt zu haben. Und wie wir es von Robert B. Parker gewohnt sind, ist der ganze Sumpf am Ende trockengelegt. Wer Parkers Romane um den Privatschnüffler Spenser mag, kommt auch bei Jesse Stone auf seine Kosten. Hier wird knapp und lakonisch erzählt, die Dialoge sitzen, und manchmal wird die Sache ein bisschen sentimental. Das sind Gründe genug, um dem Bielefelder Pendragon-Verlag wieder einmal für seine Verdienste um die Klassikerpflege zu danken. Was hiermit geschehen sei. |