Am Erker 59

Hans-Ulrich Möhring
Hans-Ulrich Möhring. Foto: Karen Nölle
Hans-Ulrich Möhring.
Foto: Karen Nölle

Hans-Ulrich Möhring: Vom Schweigen meines Übersetzers

 
Hans-Ulrich Möhring

Der Autor und Übersetzer über Literatur und Leben.
Interviewt von Andreas Heckmann und Anna Serafin

Am Erker 59, Münster, Juni 2010.

"Die Dinge, die mich als junger Mann bewegt haben, sind nie weggegangen."

Am Erker: In deinen Texten üben Landschaften auf die Protagonisten mitunter verwandelnde Kraft aus. Demgegenüber erscheint die Stadt als Inspirationsquelle sekundär.

Hum: Ich bin ein Stadtkind, kein Naturbursche. Ich bin in Mainz groß geworden, habe jahrelang in Berlin gelebt. In den Siebzigern bin ich dort weggegangen, weil ich das Gefühl hatte, in der Stadt alles gemacht zu haben, was man in Städten zu machen hat. Es reichte. Ich genieße es, Städte zu besuchen, krieche dann aber gern in meine Hütte zurück, wo ich meinen See vor der Tür habe oder draußen in der Landschaft bin. Diese Umgebung hilft mir - beim Schreiben und überhaupt. Dennoch geht es mir nicht um Zurück-zur-Natur-Geschichten, sondern um menschliche Prozesse, die überall passieren können. Aber weil ich aus den Städten rausgegangen bin und viel auf dem Land gelebt habe und durch die Welt gezogen bin, machen meine Figuren das meist auch.

Am Erker: Du kannst abseitige Szenerien ungemein intensiv beschreiben, eine Bauwagenidylle am Ufer der Schlei zum Beispiel, die zugleich eine ganze Lebensform plastisch vor Augen rückt. In deine Schilderung der Dinge gehen die Gefühle und Motivationen der Personen ein, am stärksten dort, wo viel Natur im Spiel ist und es kaum äußere Anreize, Hektik, vordergründigen Input gibt.

Hum: Mit Abseitigkeit kenne ich mich ganz gut aus. Ich habe mein ganzes Leben abseitig geführt. Das ist verbunden mit Hochgefühlen wie mit Leiden. Die primäre Erfahrungsgrundlage, von der aus ich sprechen kann, wenn ich Figuren zeichne oder in Gefühls- und Gedankenwelten reingehe, ist die Abseitigkeit. Wenn du dir die Stadt vom Berg aus ansiehst, nimmst du sie anders wahr, als wenn du mittendrin bist und hierhin und dorthin hechtest. Natürlich sollte man mal in der Stadt gelebt haben und wissen, wie sich das anfühlt, aber mich interessiert mehr, was aus der Distanz in den Blick kommt. Man dringt aus der Ferne besser ins Herz dessen, was bei diesem Hin- und Herhechten passiert.

Am Erker: Wie hat sich deine Abseitigkeit biografisch entwickelt?

Hum: 1968, als ich fünfzehn war, hat man als anständiger Mensch Weltrevolution gemacht. Mit zwanzig habe ich damit aufgehört. Ich habe eine gewisse deutsche Gründlichkeit: Wenn ich Weltrevolution mache, mache ich Weltrevolution. Ich ging von der Schule ab, um mich zum Proletariat zu schlagen, wollte eine Lehre machen. Daraus wurde dann, weil ich Krüppel bin [Möhring hat nach einem komplizierten Bruch in der Kindheit einen gelähmten rechten Arm] und man mir von einer Drucker- und Setzerlehre abriet, eine Buchhändlerlehre, was nicht ganz so proletarisch war wie erhofft, mich aber ernährt hat.
Schon mit siebzehn, achtzehn wusste ich, dass ich mit dem Unibetrieb nichts zu tun haben will. Ich kannte genug Studenten, und was die mir erzählten und was ich sah, fand ich nicht attraktiv. Nach der Lehre habe ich ein paar Monate im Vertrieb und ein halbes Jahr im De-Gruyter-Verlag als Werbemittelhersteller gearbeitet und ein Jahr im Merve-Kollektiv in Berlin verbracht, einem linken Verlag, für den ich auch meine ersten Übersetzungen aus dem Englischen gemacht habe. Dann war ich einundzwanzig, und mir war klar, dass die Arbeitswelt auch nichts für mich ist. Ich war also fertig mit den beiden traditionellen Möglichkeiten, die sich in diesem Alter bieten, und hatte das Gefühl, das Einzige, was ich lernen will - und gern richtig lernen will -, ist: leben.
Vorgestellt habe ich mir das so, dass man auf die Straße geht und sich aussetzt. Deshalb bin ich viel gereist und war mal anderthalb Jahre, mal ein Jahr unterwegs, habe viel draußen gelebt, viel allein gelebt und verschiedenste Erfahrungen gemacht, verschiedenste Begegnungen gehabt, sodass ich irgendwann das Gefühl hatte: Das ist meine Privatuniversität, die ich mir da verschaffe, und es ist eine Arbeit, die ich da leiste, auch wenn sie schlecht bezahlt ist.
Ich habe gejobbt, dies und jenes, aber immer viel gelesen. Dabei habe ich die erstaunliche Feststellung gemacht, dass ich zwar keiner Szene angehörte und meine Lektüren als etwas ganz Individuelles wahrnahm, dass ich aber, wenn ich wieder in Berlin war und mit Freunden redete, sehr oft genau das am Wickel hatte, was gerade angesagt war, ohne dass ich das wusste; manchmal hatte ich sogar das stolze Gefühl, dem Trend zwei Monate voraus zu sein. Es gibt in dieser Abseitigkeit nämlich eigenartige Verbindungen: Man gehört auf schwer zu verstehende Weise dennoch dazu. Draußen zu sein und etwas ganz Eigenes zu machen und trotzdem dazuzugehören - dieses Wechselspiel hat mich lebenslang beschäftigt und beschäftigt mich noch heute.
Auch in meinen Abgrenzungsbewegungen und der Existenz, die ich als Wanderer oder Reisender geführt habe oder als jemand, der sich in einen alten Eisenbahnwaggon im Harz setzt oder mit einem Zirkuswagen durch Oberschwaben zieht, ging es mir nicht darum, etwas besonders Originelles oder Radikales zu machen, sondern darum, dem auf die Spur zu kommen, was ich als normal empfand. Dazu waren mitunter gewaltsame Bewegungen nötig. Und ich musste dem Eindruck nachgehen, dass jemand, der wie ich nicht in die gängigen Betriebsformen passt, trotzdem zu den Menschen dazugehört, die sich mehrheitlich in diesen Formen bewegen. In der Jugend hatte ich das romantische Selbstbild vom Medizinmann oder Schamanen, der auch nicht gerade das normale Leben seines Stammes führt, aber der für die Seinen eine bestimmte Funktion hat. Doch als Schamane ist man auf dem Arbeitsamt etwas verloren. Das gab Probleme, und deshalb habe ich mich dann fürs Übersetzerdasein entschieden.

Am Erker: Als Beispiel für deine Wanderungen sei die halbjährige Fußreise vom Bodensee zur syrisch-türkischen Grenze genannt; als das Anheuern auf einem Schiff Richtung Osten dann nicht klappte, bist du von Athen nach Karatschi geflogen und hast noch ein halbes Jahr in Pakistan und Indien angeschlossen. Eine andere, anderthalbjährige Reise hat dich in die USA geführt, wo du so viele aufregende Dinge gemacht hast, in New Mexico vor allem, dass man meinen könnte, das reicht für ein Leben. Aber dir hat es nicht gereicht - das war nur eines deiner vielen Erfahrungsstadien.

Hum: Ich habe ziemlich intensiv gesucht, wo ich hingehöre und was ich zu tun habe in diesem Leben, denn das war mir rätselhaft. Ich wusste zwar ganz tief, was ich nicht will - ich wollte nicht studieren, ich wollte nicht arbeiten, jedenfalls nicht in einem Großraumbüro, wo ich ein halbes Jahr gesessen habe -, aber was wollte ich? Und weil ich handgreiflich veranlagt bin, habe ich solche Klärungsprozesse wandernd vollzogen. Das war meist gut, denn wenn ich auf der Straße bin und geradeaus gehe, sortieren sich die Wichtigkeiten. Sachen, die ganz schwierig oder nötig waren, werden leicht und unbedeutend, und andere Dinge, die gar nicht im Blick waren, tauchen auf einmal auf. Gerade die Zeit in den USA und Mexiko - und die liegt nun schon gut dreißig Jahre zurück - war eine persönliche Wendezeit, in der ich das Gefühl hatte, zu mir so durchgekommen zu sein, dass eine Basis gelegt ist, von der ich ausgehen und sagen kann: Da gehöre ich hin, das ist mein Feld in diesem Leben, und jetzt schauen wir mal, wie's weitergeht.

Am Erker: Deine Beschreibungen klingen sehr romantisch oder auch neuromantisch. Man denke an Hesses Narziss und Goldmund: Narziss im Kloster weiß, was er will; Goldmund dagegen zieht auf der Suche nach Erkenntnis durch die Welt. Oder an Werner Herzogs Vom Gehen im Eis, das Tagebuch seiner Wanderung von München nach Paris Ende 1974, um so die Filmhistorikerin und -kritikerin Lotte Eisner gesundzugehen.
Um solche Wanderungen anzutreten, braucht man eine geistige Abseitigkeit, eine Sperrigkeit. Man darf sich nicht darum scheren, was andere einem raten, und du hast dich konsequent viele Jahre lang nicht darum geschert. Andererseits hast du den Eindruck, für die großen Themen ("Wolken" hast du sie genannt), an denen du dich seit über dreißig Jahren abarbeitest, bald eine überzeugende Form zu finden; du hast einen großen Roman in Arbeit, hast du erzählt. Waren deine Wanderungen primär Klärungsbewegungen für Gedankenkomplexe, von denen dir sehr früh klar war, dass sie dich prägen und lange beschäftigen werden?

Hum: Die Sache mit Werner Herzog und Lotte Eisner: Ich verstehe, wie das von innen aussieht. Es gibt in Vom Schweigen eine Passage, in der der Übersetzer von einer Wanderung zur Heilung Artauds spricht - eine Idee, die in meinem Buch die Vorstellungswelt des Übersetzers charakterisiert. Diese Wanderung habe ich gemacht, weil ich Mitte, Ende der Siebziger sehr von Nietzsche, Artaud, Hölderlin beeinflusst war, den großen Verrückten unserer Kultur. Was ich bei ihnen an Suchen geahnt habe, hat mich sehr angesprochen, und gleichzeitig haben sie mich furchtbar gedauert, weil in diesen Existenzen auch ein unglaubliches Elend und Leiden war. An einem Punkt in New Mexico in den Bergen hatte ich das Gefühl: Ich bin gesund, ich werde nicht wahnsinnig, ich muss dieses Schicksal nicht teilen, man muss nicht verrückt werden, um intensiv und wahrhaftig zu sein. Und an diesem Punkt dachte ich, ich geh in die Sierra Tarahumara und reite und wandere den Weg nach, den Artaud 1936 geritten ist, und ich erzähl ihm das ...

Am Erker: Du erzählst Artaud ...

Hum: Ja, ich zelebriere meine Heilung und nehme ihn dabei mit. Du hast eben "neuromantisch" gesagt. Das ist gar kein Ausdruck dafür. Was ich da gemacht habe, ist geradezu kindisch, aber manches, was mir im Leben wichtig ist, funktioniert in kindisch-kindlichen Formen, und das war die kindisch-kindlichste von allen und zugleich die stärkste. Diese Wanderung hat unmittelbar Prozesse ausgelöst, die sehr, sehr stark waren, Träume und Visionen. Dass ich diese Wanderung gemacht habe, hat mein Leben verändert.
Als ich dann 1979 nach Deutschland zurückkam, hatte ich das Gefühl, so viel erlebt zu haben, dass ich das verarbeiten musste. Ich musste einfach eine Zeit lang sitzen, um zu begreifen, was gelaufen war in diesen anderthalb Jahren. Ich habe mich gefühlt wie der Sonnengott selbst - ein Gefühl, das ich nicht kannte. Also habe ich mich ein Jahr in den Harz gesetzt und dem nachgedacht und wurde nach einigen Monaten überschwemmt von inneren Erfahrungen und, sagen wir, Erkenntnisschüben. Dieser Zustand hielt ungefähr ein Jahr an, ein Zustand von vierundzwanzig Stunden Glück, wo ich morgens glücklich aufgewacht bin, glücklich gefrühstückt und den Tag verbracht habe, gewandert bin, geschrieben habe, glücklich ins Bett gegangen bin, glücklich geträumt habe, und am nächsten Morgen ging es so weiter. Es war eine sehr intensive Zeit, in der ich viel schrieb, Geschichten, Gedichte, Lieder, schräge, lyrophilosophasternde Formen. Aus dem Ganzen ist dann 1981 so was wie ein magnum opus entstanden, in dem ich für mein Gefühl das geistige Feld, auf dem ich in diesem Leben zu Hause bin, vermessen habe.
Der Nachteil bei dem, was ich da geschrieben hatte, war, dass es - rein schriftstellerisch - nicht das Gelbe vom Ei war: Diese Sachen waren zwar wichtig für mich, aber (anders als die Mondlandung) nicht für die Menschheit. Deshalb sind sie auch entweder in die Mülltonne oder in die Schublade gewandert. Mir war aber klar, dass ich mich um das, was ich da zu packen versucht hatte, kümmern muss und dass es die Sachen sind, die mich interessieren im Leben und denen ich nachzugehen habe. Offensichtlich war ich aber damals, also mit Mitte, Ende zwanzig, nicht in der Lage, das zu tun, und musste schlicht älter werden, um dieser Aufgabe gewachsen zu sein.
Ich war also Ende zwanzig und dachte: Gut, du hast was zu tun, und du musst dazu älter werden - wie verbringst du die Zeit bis dahin? Ich wollte mich nicht vor mir selbst als verkanntes Genie stilisieren. Also musste ich erst mal aus diesem extremen Geisteszustand wieder raus. Das habe ich durch ein halbes Jahr Gehen geschafft, das war die Wanderung bis zur syrischen Grenze. Und ich wollte so weit nach unten, wie ich komme, um quasi neu anzufangen.
Als ich dann eine Frau kennen lernte und wir eine Familie gründeten, tauchte die Frage auf: Wie ernährt man den Laden? Und von all den Jobs, die ich im Leben gemacht habe - Speditionsfahrer, Tapezierer, Koch, Holzfäller und so weiter -, schien mir das Übersetzen noch die realistischste Erwerbsmöglichkeit.
Die Dinge, die mich als junger Mann bewegt haben, sind aber nie weggegangen, sondern waren immer da, also auch die Frage: Bin ich so weit? Das habe ich gelegentlich getestet, und ich war nie so weit. Vor fünf, sechs Jahren ist ein Teil dieser Dinge in Form einer Schnapsidee wiedergekommen und wollte zu meiner Verwunderung ein Roman werden - eine Idee, die ich vorher niemals hatte. Also fing ich an zu schreiben, und es funktionierte. So ist Vom Schweigen meines Übersetzers entstanden ...

Am Erker: ... ein Buch, das sich einer ganz anderen Form bedient als der, in der du deine Gedanken im Harz zu Papier gebracht hast. Als "lyrophilosophasternd" lässt es sich gewiss nicht beschreiben, eher als Essay, der im Wechselspiel eines Autors und seines Übersetzers dialogisch angelegt ist und von der komplizierten Freundschaft eines amerikanischen Schriftstellers mit deutschen Wurzeln und seines deutschen Interpreten handelt. Du hast das Buch nicht 'Roman' genannt, sondern "Eine Fiktion". Es schreitet Themenkreise ab, die mit der Sprache und dem Übersetzen zusammenhängen und damit, wie man leben sollte und wie man besser nicht lebt. Es gibt keinen Plot im engeren Sinne und keine echte Spannung, auch nicht den Versuch, etwas im Ganzen erklären zu wollen. Du forschst nach dem Kern, tust das aber auf menschenfreundliche Weise. Diese dialogische Wahrheitssuche treibst du in der Erzählung "Ausgetickt" weiter, in der es u.a. um Emily Dickinson und ihr Gedicht "A Clock stopped" geht. Man könnte also sagen, dass du die kleine Form für dich kultivierst und damit etwas betreibst, was nicht gerade en vogue ist.

Hum: Was meinst du mit "kleine Form"?

Am Erker: In Hofmannsthals Erfundenen Gesprächen etwa werden Menschen zusammengeführt und reden über Kunst, Literatur, das Leben. Diese Form bietet den Vorteil, dass man die Dinge zwar vertiefen kann, sie aber nicht allzusehr beschwert, weil die Dialogsituation eine größere Leichtigkeit und Wendigkeit, auch eine größere Lebendigkeit ermöglicht ...

Hum: Aber mein Buch ist doch keine kleine Form ...

Am Erker: Äußerlich nicht, es hat vierhundertzwanzig Seiten, aber seine Kapitel sind themenzentriert - das Buch wendet sich nacheinander bestimmten Gegenständen zu. Es gibt zwar eine gewisse Steigerung, einen inneren Zusammenhang und Querverbindungen, doch der Text ist nicht plot-orientiert und ermöglicht lyrische Intermezzi und eher beschreibende, analytische oder polemische Exkurse. Auch legst du den Figuren deine Erfahrungen in den Mund, allerdings auf umkreisende Art. Das erscheint mir ambulant und spielerisch. Ich empfinde Vom Schweigen als eine Reihe von Spaziergängen oder Wanderungen. Man könnte das Buch beim fünften Kapitel beginnen und beim neunten weiterlesen, auch wenn man dann mit einigen Sprüngen leben muss.

Hum: Dazu fällt mir zweierlei ein. Das Erste knüpft ans "Spielerische" an. Was mir das Schreiben früher so schwer machte, war ein falscher Drang zur Direktheit, bei der die sprechende Stimme mit mir identisch war und Dinge sagen sollte, die sie vielleicht am Beginn des Schreibens tragen konnte, die ihr aber bald zu viel wurden. Sie hat sich um Wahrhaftigkeit bemüht und auf der zweiten Seite angefangen zu lügen. Das ist mir spätestens am nächsten Morgen ins Auge gesprungen. Dadurch wurden meine Schreibversuche zu einem qualvollen und glücklosen Ringen. Mit der Idee zu Vom Schweigen war für mich überraschend und zunehmend beglückend eine Spielform da: Ich konnte all meine Themen nehmen - also das, was mich wirklich beschäftigt - und sie auf Stimmen verteilen, ohne mit einer davon identisch sein zu müssen. Ich bin natürlich in allen Figuren, die dort aufgefahren sind, irgendwie drin, wie sollte es anders sein, aber ich kann diese Stimmen in Extreme treiben, die ich nicht verkörpern muss und deren Spiel untereinander es mir ermöglicht, einen Themenkreis, ein Gedankenkonstrukt, ein Lebensfeld zu entfalten, wie mir das vorher undenkbar war.
Das Zweite knüpft an die Worte "Essay" und "essayistisch" an, die im Zusammenhang mit meinem Buch immer wieder fallen. Diese Begriffe behagen mir nicht. Man kann sich als Leser natürlich das neunte Kapitel vornehmen und sich mit dem beschäftigen, was dort verhandelt wird, und bei dieser Leseweise stellt sich möglicherweise ein essayistischer Effekt ein. Für mich als Autor ist aber keine essayistische Intention da. Die Gedanken, Träume, Mythen und Bücher, die dort verhandelt werden, sind vielmehr immer gebunden an Personen, an Stimmen, an Situationen, und es sind die Dinge, mit und in denen die Figuren leben. Es ist ihre Innenwelt, die dort entfaltet wird. Wenn also in Vom Schweigen ein Autor und sein Übersetzer Zwiesprache halten, dann über die Dinge, die solche Typen eben beschäftigen, also über Gedanken, Träume, Mythen, Bücher - damit leben die. Die leben damit so normal wie ein Kommissar mit Morden und Vergewaltigungen, und es würde wohl niemand, der einen Krimi liest, in dem zwischendrin forensische Medizin referiert wird, behaupten, er habe einen kriminalistischen Essay gelesen. Indem diese Dinge eingebunden sind in die Mordhandlung, hat das belletristische Plausibilität.
Die Gedanken über Sprache, Gott und die Welt in Vom Schweigen sind eingebunden in die Innenweltklärung der Figuren, und es interessiert mich, wo sie mit ihren Emotionen, Gedanken, Hoffnungen miteinander und für sich hinkommen. Wenn man das Buch von vorn bis hinten liest und sich dem Ende nähert, wo das recht weitgespannte Reden der beiden Hauptfiguren eine sehr persönliche Wendung nimmt, wird der Text - wie ich finde - in einer Weise packend, wie ein Krimi das gar nicht leisten kann, weil sich die Spannung, die zwischen Autor und Übersetzer eintritt, in einer äußerlich unspektakulären, aber innerlich extremen Lebenssituation entwickelt. Was sich da an Spiel zwischen den beiden noch andeutet und offen endet, versammelt das vorher vielleicht relativ unverbindlich in den Raum Gesprochene so, dass deutlich wird: An diesen Gedanken hängen Leben.

Am Erker: In deiner noch unveröffentlichten Erzählung "Ausgetickt" hat ein Fantasy-Übersetzer mit einem Gedicht von Emily Dickinson zu kämpfen. Als er feststellt, dass er nicht recht weiß, was er da übertragen soll, dass ihm aber auch die bisherigen deutschen Übersetzungen nicht behagen, bittet er eine alte Freundin, eine Dichterin, diese Aufgabe für ihn zu übernehmen. Auf den knapp hundert Seiten dieses Texts werden viele Landschaften durchwandert: zunächst geografisch, denn ein großer Teil der Handlung trägt sich in einer Art Paradiesgärtlein an der Schlei zu, einer idyllischen Fluss-Förde-Landschaft zwischen Kiel und Flensburg; es wird aber auch eine Wanderung durch die Seele des Ich-Erzählers und Übersetzers unternommen, der auf seine alte Freundin trifft; zudem findet eine literarische Wanderung statt, insofern wir ohne amerikanistischen Zeigefinger viel über Emily Dickinson erfahren, eine neuenglische Dichterin des neunzehnten Jahrhunderts; und es gibt einen Streifzug durch die grotesken Hochebenen und Abgründe der Sekundärliteratur. All das wird elegant und intensiv enggeführt.
Ich habe die Lektüre mit dem Gefühl beendet, Emily Dickinson recht nahe gekommen zu sein und zugleich die literaturwissenschaftlichen Ansätze und Marotten der letzten dreißig Jahre in nuce vorgeführt bekommen zu haben. Zudem wurde mir die Schlei-Landschaft und überhaupt diese norddeutsch-ostseeküstenhafte Gegend sehr deutlich vor Augen gerückt, und ich bin auch der Seele, der Psyche, dem Wesen des Menschen, der diese Geschichte erzählt, nahe gekommen - und all das in einer Wanderbewegung. Du hast hier eine sehr entspannte, kleine Form gewählt, in der es wiederum dialogisch zugeht, insofern die verschiedenen Landschaften der Erzählung miteinander in ein Wechselspiel treten. Der Text hat auch eine erotische Komponente, es ist ein Liebesstrom darin, obwohl das vielleicht ein zu großes Wort ist. Von einem Alterswerk zu reden, wäre sicher falsch, aber Sturm und Drang ist das auch nicht. Es ist ein abgeklärter Text, der dennoch viel riskiert.

Hum: Was riskiert er?

Am Erker: Na ja, der Erzähler redet sehr offen über seine Gefühle. Da geht möglicherweise eine Beziehung in die Brüche, er steht vor den Scherben seines Lebens, und ob er die noch mal gekittet bekommt, bleibt offen. All das wird ganz ungeschönt beschrieben. Du hast vorhin vom falschen Drang zur Direktheit gesprochen, den du früher hattest. In dieser Geschichte hast du den richtigen Ton getroffen und eine überzeugende Darstellungsweise fürs Direkte gefunden. Wohl auch, weil du ein klein wenig daneben gezielt hast, um ins Zentrum zu treffen.
Die Landschaften, die in "Ausgetickt" durchwandert werden, erscheinen mir benachbart. Wenn ich deine Texte lese, kann ich mich sofort anbauen und muss keine große Bewegung, keinen Sprung machen, um bei dem anzukommen, was dich umtreibt - auch nicht, wenn du über Nordmexiko, über Artauds Landschaften schreibst: Diese Schilderungen mögen in exotischen Gegenden angesiedelt sein, in die ich wohl nie kommen werde, doch ich habe das Gefühl, sie liegen eigentlich nebenan. Wie eine Sommerfrische, die man wandernd erreichen und durchqueren kann.

Hum: Egal, wie weit weg die Handlung spielt und welche verrückten Bewegungen die Figuren äußerlich vollziehen müssen - es geht immer um elementar Menschliches, um einfache Sachen: Wo bin ich? Was mache ich hier? Wo gehe ich hin und warum? Der Reiz, ein Gedicht Emily Dickinsons in seiner äußeren Schwerverständlichkeit zu nehmen, liegt auch darin, den menschlichen Kern zu finden, aus dem diese ungewöhnlichen Bilder und Fügungen kommen, und Dickinson einzuholen in ihrem existenziellen Wollen.
Das Lesen von Gedichten wie "A Clock stopped" ist für mich in mehrerer Hinsicht interessant. Zunächst im Nachdenken über das, was darin gesagt sein könnte. Relativ früh gebe ich ja ein ausführliches und tatsächlich auch groteskes Referat von Stimmen der Literaturwissenschaft, die eben dieses Gedicht auslegen; indem der Text Punkt für Punkt durchgegangen wird, bekommen die Leser mit, dass es offenbar auch bei Gelehrten, die mit dem Gestus des Wissens und Verstehens auftreten, möglich ist, diametral widersprüchliche Dinge darin zu sehen, und alle sind sich ihrer Deutung sehr sicher. Das ist natürlich wegen der gebotenen Kürze nicht im Detail nachvollziehbar; was aber evident wird, ist die Verschiedenheit der Ansätze und deren Kakophonie.
Die Geschichte ist allerdings aus der beschränkten Sicht eines Mannes erzählt, der mit Gedichten wenig am Hut hat und das, was im Gedicht gesagt sein könnte, noch weniger versteht als die Wissenschaftler, deren Interpretationen er referiert. Als sich am Ende die Verstehensmöglichkeiten durch das weiten, was seine alte Freundin Sylvie dazu sagt, macht er eine Rückzugsbewegung und sagt: Kann sein, dass es so ist, wie sie es sieht, und dass sie diesen radikalen Blick auch aushält und in ihrem Leben verkörpern kann; ich kann es nicht, ich habe in diesem Gedicht von Anfang an nur einen Ton gehört, und der ist vielleicht ganz falsch und steht in dem Gedicht gar nicht drin, aber das ist der Ton, der für mein Leben wichtig und richtig ist, und an diesen Ton halte ich mich.
Damit ist er zwar gegenüber dem Gedicht und seiner Auslegung in einer recht absurden Position, doch er ist vielleicht mit seinem eigenen Leben und dem Impuls, den er daraus empfangen hat, auf einer guten Spur. Wer je auf intensive und persönliche Weise mit andern über Gedichte und ihre Auslegung gesprochen hat, weiß, dass das, was Menschen da herausziehen, sehr individuell und hinsichtlich dessen, was man dem Autor mit Recht unterstellen kann, hochproblematisch ist, aber vielleicht auch in Ordnung im Hinblick auf die Berührung, die auf den verwegensten Bahnen doch stattgefunden hat. Und diese Berührung - so absurd und grotesk sie sein mag - ist immer etwas Heiliges. Insofern ist auch "Ausgetickt" kein verkappter Essay, sondern das Mit-, In- und Gegeneinanderbewegen zweier Innenwelten.

Am Erker: Wir sitzen hier am Esstisch und haben zur Linken den Dieksee, zur Rechten den Suhrer See, die beide zur Holsteinischen Seenplatte gehören. Ich kann mir kaum eine schönere Gegend denken und hätte größte Probleme, hier landschaftsgärtnerisch tätig zu werden.

Hum: Wir hatten Handwerker aus Heide hier, also von der schleswig-holsteinischen Nordsee-Seite, wo es platt, rau und stürmisch ist. Die fanden das ganz lieblich hier, aber in ihren Augen ist das eine Gegend für Weicheier. Die richtige Landschaft und das richtige Wetter sind drüben bei ihnen - das hier ist nur eine Art Kindergarten.

So schlägst, wenn du, vom Wind bewegt,
allerlei Unrat auszustoßen hast,
auch du, mein See,
am Ufer etwas Schaum.

Am Erker: Als ich im September hier war, haben wir eine Bergfeige aus deinem Garten gegessen. Sie schmeckte wunderbar, obwohl wir uns nördlich von Hamburg befinden. Und es gab süße Trauben von der geschützten Westwand des Hauses. Wie hat man sich den Arbeitstag des Autors und Übersetzers Hans-Ulrich Möhring in dieser Idylle vorzustellen?

Hum: Steht auf, frühstückt, geht zum See, geht an den Schreibtisch, schreibt, isst Mittag, geht in den Garten, schreibt, isst zu Abend, macht dies und das, geht ins Bett.

Am Erker: Dein Manuskript "Dieksee" versammelt Gedichte der letzten drei Jahre. Man kann es als Umkreisung des Sees und als dessen Wahrnehmung aus verschiedenen Perspektiven auffassen: mal eher natur-, mal eher gedankenlyrisch, in abstrahierenden Verknappungen oder Sinnbildern, auch in Sprachspielen, und in einem Gedicht schickt der See durch das Flüsschen Schwentine den Ozeanen einen Gruß.

Seid mir gegrüßt, ihr Ozeane,
die ihr in eurer Größe wohl
allerlei Großes wirken werdet,
dessen Kunde
in vielen tausend Jahren noch die Brandung
den Kontinenten an die Küsten spülen wird
zur Mehrung eures Ruhms.

Ich schicke die Schwentine,
euch zu grüßen,
die ihr mir wolkennah seid in Gedanken
und mich bewegt mit eurem Schicksal.

Ihr werdet meinen Gruß gewiß zu schätzen wissen.
Recht herzlich,
Euer Dieksee.

Die Texte verdanken sich dieser Sommerfrischenidylle und einem bestimmten Blick, mit dem du durch diese Idylle gehst. Du bist ein Mensch, der große Ruhe ausstrahlt und einen eher meditativen Blick auf Dinge und Landschaften wirft, auf ein angetriebenes Stück Holz, auf den Wellen schlagenden See. Mitunter fährst du monatelang kaum von hier weg, allenfalls zum Einkaufen nach Malente oder Plön, stehst früh auf, gehst im See schwimmen, schreibst, übersetzt, joggst. Hier gibt es nur wenig von den Hintergrundgeräuschen und Ablenkungen, die einen - gerade in der Großstadt - umgeben. Stattdessen kultivierst du ein intensives Hinsehen und Lauschen, sodass die Dieksee-Gedichte in ihrer Gesamtheit einen starken Sog entfalten. Sie konnten wohl nur hier entstehen und verdanken sich diesem Ort.

Hum: Sie verdanken sich diesem Ort und dem See. Und sie sind jedes für sich kleine Bewegungen, um an diesem Ort anzukommen und ihn zu sehen. Im Sehen des anderen sieht man sich immer selbst, und wenn man sich nicht mitsieht, sieht man den anderen auch nicht. Zur Identität gehört Reflexivität, die auch so gedacht werden kann, dass einen der andere anschaut.
Ich gehe jeden Morgen zum See und guck ihn an und fühle mich meinerseits angeschaut, und dieser Blickwechsel zwischen dem See und mir ist das, was sich in diesen Gedichten austobt. Ich weiß nicht genau, was "naturlyrisch" sein könnte, doch in dem Blick auf meinethalben die Wellen oder gerade im letzten Winter aufs Eis - der See war zwei Monate zugefroren, was eine Seltenheit ist hier oben -, auf die verschiedenen Formen und Zustände des Eises und die verschiedenen Stimmungen, die davon ausgehen, darauf, wie es den Vögeln dabei geht, wie es mir dabei geht, wie das Licht dabei aussieht: Das sind Sachen, die nicht nur irgendwo da draußen sind, sondern das betrifft die Kommunikation zwischen mir und dem Ort, und indem die Gedichte stets einen bestimmten Blick auf etwas richten, eine Kleinigkeit nehmen und sie herausheben, sind sie so etwas wie ein Spiegel, und das Gesicht, das ich in diesem Spiegel sehe, ist nicht unbedingt dasselbe, das ich rasiere, doch es kommt mir eigenartig bekannt vor und scheint in irgendeiner Form meins zu sein, und ich möchte es gern genauer kennen lernen, denn es gefällt mir.

Die zarte Wellenseide fließt,
sowie das Auge ihre Bahnen trennen lernt,
in vier verschiedene Richtungen
- fünf? sechs? - zugleich,
ohne sich abzulenken, zu verwirren,
und zieht den Blick, der nach ihr späht,
auf einmal zwischen alle Schichten
ins Unverschleierte.

Am Erker: Ich würde gern noch eine Stelle aus Vom Schweigen ansprechen. Da referiert der Schriftsteller, was sein deutscher Übersetzer über sich gesagt hat: "Er müsse bei sich bleiben, sich berühren lassen. Er sei provinziell, und die Provinz sei letztlich er selbst. Wenn er vereinzelt und abseitig durchs Land wanderte, wie keiner menschlichen Gemeinschaft zugehörig, komme er sich ... hm, äh, deutsch vor. Am Platz. Zuhause." Später schreibt der Amerikaner über ihn sogar: "Es gab kaum einen romantischen Spleen, den ich ihm mittlerweile nicht zugetraut hätte. War es nicht denkbar, daß ihm bei seinen Deutschlandwanderungen die Idee eines Reiserituals vorschwebte, wie er es einmal für Artaud vorgeschlagen hatte, einer Heilung des Landes, des Volksgeistes oder wie er es nennen mochte, durch Gehen, Opfern, Schweigen?" Was hat es mit dem Thema Deutschland auf sich?

Hum: In Vom Schweigen werden die Worte "deutsch" und "Deutschland" langsam aufgeladen, einmal durch vergleichende Sprachbe­trachtungen, Übersetzungs­beispiele, Gedanken Wilhelm von Humboldts, aber auch durch Beobachtungen des Autors im Land, durch Begegnungen mit Menschen, durch das romantische Deutschlandbild, das er als Kind hatte, als Sohn eines deutschen Vaters, der in den Fünfzigern emigrierte. Das Buch entwickelt sich lange in der Konstellation Autor-Übersetzer und widmet sich den Fragen, die in diesem Verhältnis anfallen. Erst gegen Ende wird deutlich, dass das eigentliche Thema Deutschland ist. Es ist ein Deutschlandbuch, aber zu sagen, inwiefern, lasse ich lieber bleiben. Ich habe diese Aufladung sorgsam entwickelt, und wen das interessiert, der sollte das Buch lesen, das in dieser Hinsicht allemal klüger ist als alles, was ich als Autor jetzt dazu sagen kann.
Es werden jedenfalls immer mehr Spielfelder aufgemacht. Der Amerikaner merkt, dass er seiner unverstandenen Faszination nachgehen muss, seinem romantischen Deutschlandbild. Er kommt mit dem Vorsatz, das in Romanform zu tun, ins Land, bleibt ein halbes Jahr, versucht, seinen Impuls zu ergründen, reist an Orte wie das Hermannsdenkmal oder Buchenwald und Weimar, hat allerlei interessante Gedanken, bekommt seinen Impuls aber nicht zu fassen, kriegt also keinen Plot, bis ihm aufgeht, dass ihm die Figur, nach der er fahndet und die sein Gefühl von Deutschland und die Ambivalenz verkörpert, in seinem Übersetzer schon die ganze Zeit gegenübersteht. Daraufhin recherchiert er ihm nach, um die Figur anzufüttern, und versteigt sich dabei in schwindelerregende Höhen der Peinlichkeit, während dem Leser im Mitgehen der Denk- und Recherchebewegung deutlich wird, dass er das projektierte Deutschlandbuch schon die ganze Zeit liest.

Am Erker: Wiederum im besten romantischen Ton erklärt der deutsche Übersetzer dem amerikanischen Schriftsteller: "'Ein Garten der Erinnerung, das ist die Muttersprache. Ich gehe durch meinen Garten, zwischen den altneuen Formen, und ich sinke in die Tiefe der Zeiten, bis ins Schweigen der Wurzeln. In allem höre ich ihren Herzton, den Herzton der deutschen Sprache. Den Ton, auf den ich gestimmt bin, ob ich will oder nicht. Rauher und schwerer vielleicht als manch anderer, aber auf eigene Weise schön. Eine einzigartige Saite zwischen Himmel und Erde gespannt.'" An diese emphatischen Ausführungen schließt sich eine relativierende Beobachtung an - "Er senkte den Kopf, rieb sich die Stirn. Wider Willen mußte ich denken, daß er für einen Liebhaber geistiger Gärten das irdische Gegenstück draußen vor dem Fenster ziemlich verlottern ließ" -, und dadurch wird der Sache ein wenig die Schwere und Wucht genommen, doch diese Wucht war ja da und wurde zu Papier gebracht.

Hum: Sie wurde zu Papier gebracht, aber wenn du so ein Zitat isolierst, ist das je nach Geschmack hart an der Grenze zur Unerträglichkeit oder weit jenseits davon. Etwas Ähnliches hatten wir vorhin schon: Diese Tiefempfundenheit am Rand der Unerträglichkeit interessiert mich, gerade weil sie in aller Regel im literarischen Text und Diskurs heutzutage nichts zu suchen hat und als anstößig gilt, was nicht hindert, dass jeder Mensch sie genau kennt, auch wenn er sich dafür schämen mag. Mich interessiert es, diese Gefühle und Stimmungen an den Ort zu setzen, an den sie gehören, und sie in diesem Kontext sein zu lassen, diese Töne anzuschlagen. Wäre das Buch nur darauf gestimmt, wäre das schade, doch seine Vielstimmigkeit macht es, glaube ich, möglich, diese Töne in ihrem Recht erklingen zu lassen.