| Es gibt eine Menge Dinge, die einem Schriftsteller 
                das Leben schwermachen. Druckerpatronen, die samstagabends um 
                zehn nach acht den Geist aufgeben. Stapel von Susanne-Fröhlich-Bestsellern 
                in den Buchhandlungen. Die Zeugen Jehovas, deren ekstatisches 
                Klopfen an der Wohnungstür jede Idee zerhämmert. Aber 
                eine der übelsten Widrigkeiten sind: Literaturwettbewerbe. 
                Die Räude des Betriebes. Verdienstvoll und in märtyrerartiger 
                Kleinarbeit zusammengetragen stehen unter "uschtrin.de" 
                momentan etwa achtzig aktuelle und knapp fünfhundert 'schlafende' 
                Wettbewerbe. Das Prinzip ist einfach. Der Autor schickt einen 
                Text, die Jury wählt ihn aus, der Autor erhält ein Bahnticket 
                zweiter Klasse zur Verleihung, holt sich dort einen Scheck ab 
                und posiert mit einem welken Blumenbouquet oder einem getöpferten 
                Eichhörnchen oder einer Riesenmettwurst vor dem Vereins- 
                oder Gemeindelogo. Alle sind glücklich. Außerdem ist 
                es billiger für die Stadt, als eine Kirmes zu mieten oder 
                den Anwohnern durch ein eigenes Theater Pläsier und Zerstreuung 
                zu bieten.Und der Autor? Der kann sich eine längere oder kürzere 
                Zeit neben Margarine auch Nutella fürs Frühstücksbrot 
                leisten, er kann seine Vita ergänzen und hoffen, dass der 
                gerade erworbene Preis andere nach sich ziehen wird, frei nach 
                dem Motto: Wohnt erst mal eine Ratte bei dir, ziehen auch andere 
                ein.
 Wettbewerbe sind für noch nicht Walser-ähnlich etablierte 
                Autoren ein wichtiger und eigenständiger Markt, den es professionell 
                und zuverlässig zu bedienen gilt. Lesungen, Veröffentlichungen 
                unter Pseudonym, Werbetexterei, Journalismus oder Kellnern sind 
                weitere Möglichkeiten, sich vor drohendem Skorbut und Bücherpfändung 
                zu retten. Wer allein von seinen Büchern lebt, schreibt entweder 
                unerträglichen Müll oder ist öfter im Fernsehen 
                als der Babybauch von Heidi Klum. Was manchen Ausrichtern eines 
                Wettbewerbs nicht klar ist: Der Autor macht nicht deswegen mit, 
                weil er sich zu Hause langweilt, seiner Freundin den Geschlechtsverkehr 
                verweigert oder keine anderen Hobbys hat. Auch der sportliche 
                Kitzel des Wettbewerbs ist nicht Sinn der Sache, denn man könnte 
                bessere Quoten beim Bingo im nächstliegenden Altersheim erzielen. 
                Dem Autor geht es ums Geld. Ja, Autoren brauchen Geld zum Leben. 
                Das ist unromantisch und ärgerlich, poesiearm und kleinkariert, 
                aber es ist so. Und in seiner bitteren Not schreibt der Autor 
                Wettbewerbsbeiträge zu vorgegebenen Themen wie "Das 
                Labyrinth im Herbst", "Blau" oder (Achtung, autoreflexiver 
                Witz) "Der Not gehorchend und nicht dem eignen Triebe".
 Der Autor reißt Kapitel aus Romanmanuskripten, ändert 
                Überschriften, strickt einzelne Wörter ein, nur um in 
                die Auswahl zu gelangen und den Text wenigstens mit einem Scheck 
                belohnt zu sehen, wenn man ihn schon nicht zu amerikanischen Verhältnissen 
                verkaufen kann. (Jonathan Safran Foer hat für sein Debüt 
                "Alles ist erleuchtet" einen Vorschuss von 500.000 Dollar 
                erhalten. Klar, dass der sich nicht das Hirn verrenken muss, um 
                Gedichte über Schildkrötenschicksale im Dorfteich zu 
                verfassen.) Wettbewerbe sind für deutsche Autoren blutiger 
                Ernst.
 Manche Ausrichter allerdings scheinen sich nach mehreren Flaschen 
                Eierlikör zu denken: "Gut, nackig machen und mit Kakerlaken 
                und Fischabfällen übergießen können wir das 
                arbeitsscheue Schreibergesindel nicht. Also demütigen wir 
                sie doch einfach anders." Und sie lachen sich scheckig und 
                stellen unter "uschtrin.de" Wettbewerbe ins Netz, bei 
                denen einen der Verdacht beschleicht, die ausgeschriebenen Aktionen 
                seien eine neue Form von Comedy. "Verstehen Sie Spaß 
                - das Autorenspecial".
 So belohnt die Frauenzeitschrift "Allegra" den Gewinner 
                ihres Kurzgeschichtenwettbewerbs mit einem Auto. Allerdings darf 
                er es nur zwei Jahre selbstversichert fahren, dann hat er das 
                schöne Stück wieder abzugeben. Beim Schreibwettbewerb 
                der Gemeinde Stockstadt müssen alle Finalisten zur Preisverleihung 
                anwesend sein, da sonst ihre Preise verfallen. Wie Pilze aus dem 
                Boden schießen seit einigen Jahren Wettbewerbe, bei denen 
                Aufwand und Preis in keinerlei Verhältnis mehr stehen. Man 
                kann ein halbes Schwein, eine Mitgliedschaft in einer Autorenvereinigung, 
                eine Internetveröffentlichung, ein Plätzchen in einem 
                Schreibseminar o.ä. "gewinnen". Der Krimiwettbewerb 
                von "autoren-feder.de" überreicht den ersten drei 
                Gewinnern Buchpreise. Der "Herbstgeflüster"-Wettbewerb 
                hat sich "Überraschungs-Sachpreise" für den 
                zweiten und dritten Platz ausgedacht. Wahrscheinlich gibt es jeweils 
                ein Ü-Ei, denn das ist Spiel, Spannung und Schokolade. Davon 
                haben Autoren ja wirklich nicht besonders viel in ihrem Leben. 
                Eine wahre Pest sind neuerdings die Ausschreibungen, die "Startgeld" 
                oder "Verwaltungsgebühr" kassieren. Das mag beim 
                Kakerlakenrennen üblich sein, aber die Ausrichter von Literaturwettbewerben 
                sollten sich doch daran erinnern, wer hier welchen Job zu machen 
                hat. Zur Erinnerung: Ich Autor, du Ausrichter. Ich Text, du Sponsorensuche. 
                Der Franz-Kiessling-Literaturpreis ist da mit 5 Euro noch günstig, 
                der F&F-Literaturpreis nimmt schon das Doppelte. Immer wieder 
                liest man Versprechungen, das Preisgeld werde mit höherer 
                Teilnehmerzahl steigen. So etwas nennt man Kettenbriefmentalität, 
                und es bewegt sich an der Grenze zum Unseriösen. Was in die 
                Veranstalter des ehrwürdigen Leonce-und-Lena-Preises gefahren 
                ist, als sie 10 Euro Startgeld erhoben - niemand weiß es. 
                Vielleicht war die Kaffeekasse leer. Immerhin kann man hier bei 
                8000 Euro für den ersten Platz und insgesamt 8000 Euro für 
                weitere Förderplätze spekulieren, ob sich die Teilnahme 
                lohnt. Ein fader Nachgeschmack bleibt.
 Den Vogel, pardon, die Gans abgeschossen hat aber der Putlitzer 
                Literaturpreis - tatsächlich eine Zusammensetzung aus dem 
                uralten "Pulitzer Prize" und der kleinen findigen Gemeinde 
                "Gänsestadt Putlitz" an der A 24. Zu dessen Verleihung 
                müssen die drei Finalisten anreisen, ohne zu wissen, ob ihnen 
                die Fahrt bezahlt wird, denn nur der erste Platz erhält eine 
                Spesenerstattung. "Zudem wird die Möglichkeit geboten, 
                im Rahmen der Preisvergabe in Putlitz mit eigenen Texten an einer 
                Lesung der Siegertexte teilzunehmen." Eine honorarfreie Lesung, 
                hurra! Der zweite Preisträger, der sich diese Anreise nicht 
                leisten konnte und deshalb erst anschließend von seiner 
                Platzierung erfuhr, wartete auf den sagenhaften Gewinn von siebzig 
                Euro dreizehn Wochen lang. Nach mehrfachen Bitten und mysteriösen 
                Vertröstungen drohte er schließlich mit einer gerichtlichen 
                Mahnung, woraufhin man ihm das Geld ohne ein Wort der Erklärung 
                überwies. Eigentlich hatte zu dem Preis auch noch die Tonfigur 
                einer Gans gehört. Die hat der Preisträger bis heute 
                nicht gesehen. Wahrscheinlich haben die Ausrichter sie stellvertretend 
                für diesen renitenten, geldgierigen Autor mit Kakerlaken 
                und Fischabfällen übergossen.
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