Volker Kaminski
Die Neue ist eine reizende Erscheinung, denkt
Frosch, nicht so derb wie die anderen Mädchen. Wenn sie eine
schnelle Bewegung macht, knistern ihre Haare. Ihre Hände
sind weiß, zart, fast durchsichtig. An den Fingern kein
einziger Ring.
Sie arbeitet in der Küche, doch an Sonntagmittagen, wenn
Hochbetrieb herrscht, muß sie auch beim Tischservice helfen.
Frosch ist Chefkellner, zusammen tragen sie die Speisen an die
Tische, laufen immer wieder aneinander vorbei.
Das Hotel steht auf einer einsamen Anhöhe, umgeben von Wald
und Bächen. An manchen Tagen kommen so wenig Gäste ins
Haus, daß sich abends der Betrieb kaum lohnt. Der Koch verzieht
sich mit einer Flasche Bier in den Fernsehraum. Dann ist Frosch
mit dem Mädchen in der Küche allein. Sie unterhalten
sich, warten, sitzen die Zeit ab. Frosch fragt sie aus, sie antwortet
mit gleichgültiger Miene.
Er lehnt lässig am Besteckwagen, die Arme vor dem weißen
Hemd verschränkt, und schaut zu ihr hinüber. Meistens
hockt sie auf der Tischkante, den nackten Fuß auf die gegenüberliegende
Herdleiste gestellt. Eine gewagte Stellung, findet er.
Es ist neun Uhr, vielleicht kommen noch ein paar letzte Wanderer
zum Abendbrot ins Haus. Frosch hat die Hausschlüssel schon
an sich genommen. Er wird gegen elf das Haus abschließen
und in seine kleine Wohnung im Anbau gehen. Das Mädchen wird
mit dem Bus ins Nachbardorf fahren. So ist es immer, tagaus, tagein.
Wie hübsch sie aussieht, denkt er, dieser herzförmige
zartrosa Mund, der immer etwas zu schmollen scheint. Sie hat das
Hotelfach mehr oder weniger aus Verlegenheit gewählt, erklärt
sie, ist bloß zufällig Köchin geworden, sie hätte
auch etwas anderes machen können. Daß sie hier auch
servieren muß, findet sie eine Zumutung. Sie beklagt sich
über die Hotelchefin. Ihre Haare fallen wie seidiges Puppenhaar,
als sie sich mit der Hand über die Stirn fährt.
Frosch denkt, ich will sie küssen.
Er blickt auf die schweren Hausschlüssel in der Hand und
fragt sie, ob sie nicht nachher ins Kino fahren wollen. Wenn keine
Gäste mehr da sind, könnten sie die Spätvorstellung
noch schaffen.
Sie antwortet nicht, nimmt statt dessen den Fuß von der
Herdleiste, schlüpft in ihre Schuhe und kommt langsam auf
ihn zu. Willst du mich küssen, fragt sie provozierend. Frosch
ist verwirrt und steht ganz starr. Sie beugt sich vor und drückt
ihre Lippen fest auf seinen Mund. Eine Ewigkeit lang. Froschs
Kopf fällt in den Nacken. Reglos verharrt er in dieser Stellung
und bekommt kaum mit, wie sie hinausgeht.
Erst als sich seine Nackenmuskulatur zu verkrampfen beginnt, schält
er sich aus seiner unbequemen Lage. Hinter ihm klirrt das Besteck,
der Wagen rollt leicht zur Seite. Ihm ist schwindlig. Vorsichtig
betastet er sein Gesicht, es fühlt sich weich und glatt an.
Dann beginnt er zaghaft zu lächeln.
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