Crauss.
schon wieder riecht die luft nach park. du nimmst
die witterung auf, allmählich. die geparkten wagen, und obwohl
der mond noch kühl ist, tauen männer aus dem boden,
stehn wie bäume, grenzbestammung um den stadtwall. und ihr
ruch zeigt dir bereitschaft an und unter ihrer haut schwitzt süsse.
eine hoffnung treibt dich, du erkennst sie an den jacken, weisst
nicht, was du wirklich suchst. und sehen willst. ein rudel findet
sich, ein frösteln. ein eindruck, dann bewegung. die stadtbaumwölfe
berichten vom winterschlaf, du folgst, du bist der fänger
im park, das vom rudel abgetriebene; denn gleich dir folgt dir
jemand, junger wolf! die jagd ist angesetzt, die luft voll beute,
wenn du dich auch lässig gibst. du wirst gerissen werden
und der mond scheint kalt. du hast es nicht gewusst, doch es ist
frühling.
bis es aufklart, steigen jetzt noch oft die buben aus dem strauch.
tropfende vampyre, die sich schweigend wunden beissen in bauch
und schritt, so wie es brauch ist, wie sie es gelernt haben zum
frühlingsanfang. eine einzig ruhige nacht im städtchen
bayern. schluck für schluck rauchen zwei sich an, die basecaps
tief in ihrer stirn, zwischen ihnen stille und ein schnacken,
regelmäszig; den bund der stretchpants mit dem daumen unbewegt
zum anschlag geweitet, frisch ausgehangen: maibaumschlagen um
die wette. sonderangebot, denkst du, lächelst einen von ihnen
an und darfst dich hinknien. sie drücken dich lässig
nach unten, seitlich gegen den wagen. es rauscht natur. dahinter
spielen pumpend bässe, die du erst jetzt bemerkst, mit beschlagnen
scheiben. treibende melodien im leib und kühlendes metall
im nacken...
angeber, denkst du, als du einen moment zeit hast, luft zu holen
und sich eure augen treffen; wie der wagen, so's betragen. über
das alte sprichwort, das du noch nie hast leiden können,
ziehst du wieder von dannen, neidisch, unbefriedigt, während nun
der andere sich festsaugt und -beisst. er hat sehr schöne
zähne, aber er weiss dass man nicht redet. so ist das hier
in der gegend seit jeher. alles wird geschluckt, ganz klar, und
wenn du hilfe brauchst, verlässt du dich auf freunde. aber
an die regeln muss sich jeder halten. du beginnst, diese touristenattraktion
mit dialekteinschlag zu mögen: zungenschlag der wildnis,
spiegelschrift der jugend. wohlerzognes landerholungsheim, bayerischer
wald um mitternacht, und nachher wirst du sie beim steckenwirt
noch einmal sehen; etwas heller sitzen sie und lachen, trinken,
was sie vorher losgeworden, wischen sich die mäuler ab. hier
sind ihre reisser billige folklore, biergemütlichkeit. und
doch: irgendwann setzt du dich wieder dazu, versuchst unbeholfen
ein paar worte. es ist zu spät für eine unterhaltung,
vorhin sei noch zeit gewesen, sagt einer. an die regeln müsse
man sich schon halten.
wenn du das gasthaus schliesslich verlässt, liegt der einzige
ort für ein wort unter freunden eine ganze weile noch betäubt
und wartet, dass es wieder aufklart. es ist zwei jetzt, wieder
im hotel. du hast noch ein glas wein in der hand und machst dich
auf den weg. schlag auf mich ein, denkst du, den schlüsselbund
bereit. schlag auf mich ein. die kleine pension kennst du nun
schon fast auswendig, was soll's also. call the police, there's
a madman around - underground in a dive bar. hier begegnen einem
keine engel, und selbst der knabe gestern, der dich nicht gehört
hatte, tat nur eine nachtlang gut. die ewigkeit hat grenzen, selbst
hier. vollkommen nackt kam er aus dem zimmer gehuscht, in der
annahme, die luft sei rein. oh ja, die luft war rein, dein schritt
verdunkelte sich über dem teppich. zwanzigjähriger apfelarsch
mit dunklen locken, eine stolze haut. die tür des appartements
nur angelehnt, die welt dort drin nicht ganz verschlossen. was
interessierte dich die welt, was die frau, die ihn verführt
hatte oder werauchimmer sich verbarg dahinter. er schien jung
genug, ein weiteres opfer auszuhalten, diesmal vielleicht unter
der von allen gästen gemeinsam benutzten dusche. er würde
dich einladen, die tür genau so angelehnt, dass du es als
einladung nicht missverstehen konntest. wie ebenjene, die er jetzt
verliess. schlag mich, dachtest du. da drehte er sich um, dein
blick zu intensiv, zu fordernd. lass ihm zeit. der knabe wischte
sich erschreckt durchs haar, verschwand schnell um die ecke. sinnlos,
ihm hinterherzulaufen. kleiner tod dann, allein unter der gelben
nachttischlampe.
du quälst mich, mädchen. warum strahlst
du so, wenn du das denkst. du denkst an letzte nacht, den parkplatz,
das hotel dann, wie du müde mit dem wein in der hand eingeschlafen.
ich schlage meine lider über dich, denkst du. das autobahngefühl
bei diesem song. das radio und der mann, der behauptet, der tod
hätte ihm bereits die wange sanft gestreift. er benutzt zündhölzer
für seine cigaretten, und du glaubst ihm das, du narr. seit
tagen denselben pullover am leib und der geruch, der nicht vergehen
will. seit tagen unterwegs. du quälst dich. fühlst dich
wohl dabei und denkst dir nichts, wenn im grauen des morgens eine
mädchenleiche in der nähe deines wagens gefunden wird.
plötzlich befindest du dich ausserhalb der stadt. engel entjungfern,
denkst du. engel entjungfern. das mädchen auf dem fahrrad,
die kleine bedienung der fettigen kneipe. er sagt nicht viel,
er hat dich nur benutzt, denkst du. rausgerannt, zum wagen, dann
dieses autobahngefühl. landstrasse, das mädchen auf
dem fahrrad. von einem hotel zum andern. heimweg, denkst du, und:
fahrradsattel. bei dem wort kriegst du eine erektion. aber die
göre ist zu schnell für dich. seit tagen denselben pullover
mit dem duft, der nichtmehr weggeht. du hast dich noch nicht beklagen
können über einen vorzeitigen abgang. aber du hast ihm
geglaubt. er hat dich benutzt. er hat streichhölzer benutzt.
es hätte dir eine warnung sein sollen. die göre ist
im dunkel verschwunden. du stehst am strassenrand und holst deinen
schwanz raus. zu spät. die bar, der alcohol, die drittklassige
kneipe wieder mit der sängerin. der streichholzmann ist weg.
wieder zum wagen, über die fernstrasse. petting mit dem tod,
denkst du. und: wer nichts wagt, trinkt bier. gegen ein parkendes
auto zu onanieren, fällt dir ein. aber jetzt glaubst du dir
das selber nichtmehr. blödsinnig vergeht die zeit sich an
deinen wunden. und es bleibt nicht viel, sie noch zu lecken.
da gehst du und weisst es nicht. die lieder werden dich umbringen,
ermorden, dir das leben nehmen. sie sind hinter dir, in diesem
augenblick, sie dringen durch, sie nähern sich. du wirst
sie erst viel später hören und es wird dich schmerzen,
du wirst schreien, wellen schreien, dich dem raubtier hingeben,
wie ein stück fleisch dich auseinanderreissen lassen vom
nachhall dieser melodien. du wirst es geschehen lassen, weil du
nicht weisst, was diesen schmerz ausmacht, weil du seinen urpunkt
nicht erkennst. du siehst das gerötete fleisch im echo der
sehnsucht auf deiner haut, und dann bekommst du angst, es treibt
dich kurz davor, die harten klänge einfach herunterzureissen
wie verwelkte haut.
dann siehst du einen, der nichts weiss von seiner schönheit
und sie vergeudet darum, der die melodien anlockt, ohne vor ihnen
zu fliehen, der stehenbleibt, auf die tödliche strophe wartet,
sich opfert. das erschöpft dich, du rennst schneller, wenn
er sich zu dem geräusch bewegt, das dir gilt, wenn er deine
melodie zu singen sucht. du rennst, aber du weisst nicht, wohin.
du wirst verfolgt. du ringst nach atem, wenn die lieder nach dir
greifen. sie ernähren sich von dir, irgendetwas in dir tanzt,
unermüdlich, einmal angetrieben, nicht wieder still zu kriegen;
es wird lauter, noch in dieser nacht. etwas bewegt sich hinter
dir, dann in dir, das du nicht verstehst. es bringt dich um, es
tötet dich. die haut wird reizbar davon, bedingungslos.
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