Duft der Rosen in der Faust
Rolf Birkholz
Einmal ist auch im Dunkeln deutlich zu sehen, wie "die Nacht hisst / Segel aus schwarzem Tuch." Dann wieder "baut Mittagshitze / Paläste ins Licht." Ursula Maria Wartmann verarbeitet in den Gedichten ihres neuen, dritten Bandes, Nachtkinder in hohen Hüten, mit eingängigen Bildern zahlreiche Naturbeobachtungen, flicht darin zumeist menschliche Erfahrungen ein.
"Wie Treppen zum Himmel sehen sie / aus." So sieht das lyrische Ich die Pilze an Bäumen wachsen. Ein weiter Weg. Die in Dortmund lebende Autorin, die mit journalistischem und literarischem Schreiben schon lange befasst ist, widmet sich der Lyrik erst seit wenigen Jahren, geht diesen Weg, ja stürmt ihn voran. Und "Dein Atem / webt ein Netz aus Dichtung / und Wahrheit" dazu, heißt es in "Zunderschwamm" auch, so viel Goethe darf sein, zumal wenn es passt.
Die Natur erscheint hier manchmal überwältigend, aber kaum gemütlich. Zudem kann der Blick ins Innere befremden. "Wir sind in uns / nicht mehr zuhause." Wir werden "wie Moose / sein auf Felsen auf Stein bereit / für den Ruf neuer Fluchten" ("Wo immer die Antwort kam"). Und "unsere Träume diktieren den Fahrplan / wir schreiben / ihn neu für uns alle" ("Wir queren das Grauen").
In einem alten Haus des Neubeginns hängt "über der Tür noch das Kruzifix / der Palmzweig dahinter", ja, "an was / haben sie vor uns geglaubt". Religiöse Reminiszenzen da und dort, mit eher gemischten Gefühlen, "im Kirchenschiff faltige Hände / werfen Rosenkränze wie Anker aus."
Beunruhigend düster das Titelgedicht.
Auch dort "steht am First der Mond / wie der helle Leib eines Vogels". Die große Nachtleuchte ist in Ursula Wartmanns Gedichten des öfteren sichtbar, auch Wolkenspiel. Eine schon in den beiden ersten Bänden entwickelte Spezialität sind auch hier die eleganten bis überraschenden Zeilensprünge: "Der Mond zeichnet Schatten / auf die ernteschweren Ähren des Korns / legt nebelfeucht sich Sommernacht" ("Ernteschwer"). Und von einem um seine Liebe weinenden Mann hatte man auch noch nicht gelesen, wie er "umschließt den Duft der Rosen / mit der Faust verstaut ihn im Mantel / für später". Die schwarzweißen Illustrationen das niederländischen Grafikers Jan Ruijscher aus dem 17. Jahrhundert haben keine geringe, eine Art erdende Wirkung beim Lesen. |