Am Erker 85

Johannes Balve: Ausflüge

 
Rezensionen

Johannes Balve: Ausflüge
 

Auffrischendes Raunen
Rolf Birkholz

Der Titel des Gedichtbandes Ausflüge von Johannes Balve wirkt wie leichthin gegeben, allgemein und vielsagend zu­gleich, lakonisch. Er weckt Neugier ohne Ausrufezeichen. So nimmt der Autor in zehn Kapiteln mit zu unterschiedlichsten Erkundungen und Wahrnehmungen etwa in "Ruinen", in "Zwischenwelt" und "Un­terwelt", lässt "Stadtgesichter" oder "Ein­same Einzeller" betrachten, meist eher skeptisch.
Überall bezieht das Ausflügler-Ich, "ein­gepflanzt / in meine Zeit", die Zeit mit ein. "Fangen wir den Moment ein, / ohne ihn festhalten zu wollen, denn / wir sind Zeitreisende in Gelassenheit." Es fährt auf Sicht, verschließt die Augen nicht vor unangenehmen Erkenntnissen. Ange­sichts eines "einsamen Einzellers" schwant ihm: "Auch wir gehen rückwärts. / Die Evolution ist / keine Einbahnstraße."
In der Stadt ("Nicht flieht die Straßen­flucht") führt der Weg nach Hause, "zur blauen Blume, ganz Kristall. / Es glänzt die Brosche, / verschlossen in Arkaden." Arkadien klingt mit.
Es sind solche kleinen, manchmal ver­steckten Hinweise in den meist kurzen, konzentrierten Gedichten (darunter etli­che Haiku) des aus Düsseldorf stammen­den Autors, die den Leser gut bei der Stange halten. "In memoriam" widmet Balve sich Friedrich Hölderlin, Andreas Gryphius, Clemens von Brentano und Gottfried Benn.
Im Abschnitt "Lost in Time" sind die Stun­den verschwunden ("Es waren nur Se­kunden, / wir haben uns gefunden."), und schon ("Du musstest wieder fahrn") ti­cken wieder stundenlang Sekunden. Das vorletzte Haiku fasst die Ausflugserleb­nisse auf seine Art zusammen. "Zurück tritt die Zeit / im Verblassen der Worte. / Herüber raunt es." Aber es raunt eben, das frischt wieder auf.

 

Johannes Balve: Ausflüge. Gedichte. 104 Seiten. PalmArtPress. Berlin 2022. € 22,00.