Am Erker 82

Christian Heidrich: Hunde des Himmels

 
Rezensionen

Christian Heidrich: Hunde des Himmels
 

Christi Schifflein schlingert
Rolf Birkholz

Bei religiös geprägter Lyrik halten sich diesbezüglich so genannte Unmusikalische eher zurück. Solche Texte transportieren nicht selten allzu offensichtlich Glaubensbekenntnisse oder wohlfeile Empfehlungen zur Lebensführung: Er­bauungsliteratur im gut gemeinten Sinn. Christian Heidrich hält es anders. Die in seinem Band Hunde des Himmels versammelten Gedichte behandeln Themen aus Kirche und Glaubensleben in ihren Berührungen mit dem Alltagsdasein, mit offenem, kritischem Blick auf deren Brüchigkeit, zu Zweifeln führend, nicht jedoch zum Verzweifeln verführend.
Die Verse des 1960 geborenen Theologen, Lehrers und Autors (u. a. Die Kon­vertiten, 2002) sind meist kleine, erzählende Betrachtungen, die aber angemes­sen in Gedichtgestalt erscheinen. Heidrich sieht sich in Zeiten, in denen, etwa vor der Frankfurter Skyline, gilt: "Geldturm schlägt Kirchturm". Und stellt fest: "Gut so! Wer sind wir schon? // Schmuggler flüchtiger Worte, / kühnster Hoffnung. Dazu Kreuze, / Hostien, Gips­heilige. Ab und an / ein Skandal auf Welt­niveau." Und setzt statt auf Babel-Bauten auf franziskanisches Maß.
Der Autor weiß wie sein "Letzter Dorfkaplan", dass "Christi Schifflein schlingert". Doch er arbeitet sich nicht vordergründig etwa am Missbrauchsdrama ab, beden­kend wohl, dass dies das System, nicht das Wesen der Kirche berührt. Er lässt das lyrische Ich ("Dabei ist alles / erdichtet und alles der Dichter / selbst") wieder­holt aus priesterlicher Perspektive ("Ich bin ein Priester, / mittendrin allein") wahrnehmen, zum Beispiel aus der des alten Geistlichen im Beichtstuhl, auf bußfertige Sünder wartend.
Namhafte Poeten werden gewürdigt, ob Pfarrer-Sohn Gottfried Benn, Dichter-Pfarrer Kurt Marti oder dessen Waliser Kollege R. S. Thomas ("Beten hilft. Nicht magisch, erwachsen"). Das Gerhard-Richter-Fenster im Kölner Dom wird alternativ gedeutet, an einen einzelnen, besonderen "Friday for Future" erinnert. Dem zumal seit Rolf Hochhuths Stück Der Stellvertreter umstrittenen Papst Pius XII. gestattet Heidrich eine Gewissensschau: "Man wird mich hassen. Hitlers Papst / werde ich heißen. Kein Selbstmitleid, / nein, nur Trauer. Gottes eigenes Volk. / Was haben wir getan?"
Das suchende Ich dieser Gedichte will "an jeder / Metaphysik zweifeln, aber / niemals von ihr lassen." Mit Hunde des Himmels begibt sich auch der religiös Unmusikalische nicht unter sein Niveau.

 

Christian Heidrich: Hunde des Himmels. Gedichte. 112 Seiten. Echter Verlag, Würzburg 2020. € 12,80.