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Eichborn
Andreas Gößling

 
Rezensionen

Andreas Gößling: Der Alchimist von Krumau
 

Alchimie
Stefan Nienhaus

Als Paul Auster City of Glass, den ersten Teil seiner inzwischen berühmten New York-Trilogie, den Verlagen zuschickte, bekam er zunächst einmal 17 Absagen. Siebzehn! Es ist ein Glück, dass Auster dennoch nicht aufgegeben hat! Man kann sich die Kommentare - falls die Lektoren sich dazu herabgelassen haben - vorstellen: Liest sich gut, ist aber zu gebildet. Hat schöne Stellen, aber wo ist die Story? Undsoweiter. Andreas Gößlings neues Buch Der Alchimist von Krumau ist ein anspruchsvoller Unterhaltungsroman, ein Genre, das man in deutschen Landen kaum mehr kennt (jedenfalls die Literaturkritik hat jahrzehntelang alles dafür getan, dass man - von dem vollkommen zu Unrecht missachteten Johannes Mario Simmel einmal abgesehen - hierzulande nur noch angloamerikanische Romane dieser Art verschlungen hat). Es ist spannend, man liest es in einem Rutsch, aber es bleiben irritierende Bilder im Kopf. Vor allem von der verwinkelten Burg, den verborgenen Kellergewölben und Geheimgängen, welche die Intrigenwelt ins Räumliche übersetzen, von alchimistischen Geräten, die einen an das einzig Interessante des Physiksaals (und an Michael Endes satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsch) erinnern. Von den Figuren prägt sich vor allem der kleinwüchsige, eitle und kluge Erzieher des Bastardprinzen ein, der im Namen der aufklärerischen Vernunft einen aussichtslosen Kampf gegen die verdunkelnden Mächte des schwarzen Zauberkünstlers kämpft. (Dass er auch noch d'Alembert heißt, finde ich ein bisschen übertrieben.) In einer Atmosphäre, die das Prag aus Meyrinks Golem wiederentstehen lässt, entspinnt sich eine abenteuerliche Intrige um Macht und Magie, durchzogen von verschiedenen erotischen Geschichten, die von der pervertierten und gewalttätigen des jungen Grafen über die uneigennützige seiner Geliebten zu ihm bis zur platonischen des Erziehers zum eigenen Geschlecht reichen.
Eine gut konstruierte Handlung, die in klarer Progression auf die Katastrophe zuläuft, voller genau charakterisierter Personen, die mit der Hauptfigur Markéta (der Geliebten des Grafen), welche in einem Wirrwarr von Aberglauben und Magie den gesunden Menschenverstand verkörpert, vor allem auch einem weiblichen Lesepublikum gefallen werden. Der Roman ist zum Bestseller prädestiniert, die Einwände der Verlagslektoren kann man sich dennoch gut vorstellen: Zu anspruchsvoll, was die Konstruktion des Ambientes angeht, zu viel Alchimistenlatein, passt in keine Sparte unseres Programms usw. Wäre schön, wenn auch in diesem Falle das Lesepublikum den Profis des Buchmarkts Unrecht geben würde...

 

Andreas Gößling: Der Alchimist von Krumau. Roman. Eichborn. Frankfurt am Main 2004. € 22,90.