Ein erstklassiges Spiel
Joachim Feldmann
Die Rezensenten sind sich einig: Georg Klein
ist ein außergewöhnlicher Erzähler und sein neuer
Roman Barbar Rosa meisterlich. Merkwürdig nur, daß
der hochgelobte Autor offenbar nicht in der Lage zu sein scheint,
sein Buch dem korrekten Genre zuzuordnen. Was er als "Detektivgeschichte"
deklariere, sei in Wirklichkeit "ein Schauerroman" (Frankfurter
Rundschau), "ein romantisches Schauermärchen" (Der
Tagesspiegel) oder eine "postmodernistische Gespenstergeschichte"
(FAZ). Seltsam. Dabei lassen sich die Besprechungen von Barbar
Rosa durchaus als Beleg dafür lesen, daß die Gattungsbezeichnung
so falsch nicht sein kann. Selten nämlich hat ein Buch so
viele Kritiker zu philologischer Detektivarbeit inspiriert wie
dieser Roman. Von der Farbsymbolik über die Lichtmetaphorik
bis hin zu einem überreichen Aufgebot an literaturgeschichtlichen
Anspielungen: Hier darf die Literaturkritik zeigen, was sie am
besten kann. Vor allem darf sie sich der Detektivfigur Mühler
überlegen zeigen, denn diesem armen Kerl bleibt oft nichts
anderes übrig, als sich auf die Eigendynamik des Plots zu
verlassen. Aber das weiß er selbst: "Nur wenn ich mich
bewege, kann ich am Muskelspiel der Handlungen ermessen, wie weit
entfernt vom letzten logischen Schluß, der alles lösen
und erklären wird, ich noch durchs Vorfeld der Erkenntnis
tappe." Mit diesem Bewußtsein ist er übrigens
anderen literarischen Detektiven, die sich, ohne daß sie
es auch nur ahnen dürfen, in der gleichen Situation befinden,
weit voraus. Schließlich hat sich die Detektivgeschichte
im Laufe ihrer Entwicklung mehr als einmal selbst dekonstruiert,
ohne daß dies ihrer Vitalität sehr viel anhaben konnte,
im Gegenteil. Und diese Eigenschaft, die sie mit anderen Populärgenres
teilt, macht sie so interessant für einen Autor wie Georg
Klein, der sich noch nie an tradierten literarischen Grenzziehungen
gestört hat.
Daß die Detektivgeschichte sich letztendlich auch als Künstlerroman
gibt, nämlich wenn Mühler den artistischen Plan hinter
dem aufzuklärenden Verbrechen entdeckt, beweist nicht ihre
Überflüssigkeit. Vielmehr vermag Georg Klein zwei Genres
miteinander zu verschmelzen, deren Verwandtschaft ein berühmter
deutscher Philosoph und Krimileser einmal folgendermaßen
beschrieb: "Etwas ist nicht geheuer, damit fängt das
an. Forschend Aufdeckendes ist freilich nur das eine, es geht
aufs Woher. Forschend Heraufbildendes wäre das andere, es
geht aufs Wohin. Ein Gewesenes Finden ist dort, ein Neues Schaffen
hier der gespannte, oft nicht minder labyrinthische Vorgang. Und
merkwürdig: auch das Heraufbildende kommt in eigener Romanform
vor. Wieder sogar oft in sinistrer, dann in bedeutend hoher, nämlich
im sogenannten Künstlerroman." Und dann erklärt
der Philosoph, daß der, auch von Georg Klein hochgeschätzte,
"detektivische Kammergerichtsrat" E.T.A. Hoffmann nicht
zufällig in beiden Genres Grundlegendes geleistet habe. In
Barbar Rosa läßt sich am Ende nicht mehr so
recht zwischen Detektiv- und Künstlerroman unterscheiden.
Der Detektiv Mühler behauptet, daß er sowohl dem "Woher"
als auch dem "Wohin", personifiziert durch seinen Auftraggeber
Hannsi und den Künstler Bertini, gedient habe, mit einem
für ihn äußerst befriedigenden Ergebnis. Doch
das mag man glauben oder nicht. Fest steht, daß Georg Klein
mit dieser Detektivgeschichte das erreicht, was sein erklärtes
Ziel ist. Denn auch wenn die "erstklassigen Spieler"
der deutschen Literaturkritik den Namen seines Spielangebots nicht
allzu ernst nehmen, mitspielen tun sie doch.
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