Pustekuchen
Michael Harde
In den Siebzigern war ich ziemlich jung. Mein
Held in diesen Jahren war erst Kimba, der kleine weiße Löwe.
Später Heinz Flohe vom FC Köln. Keinerlei Interesse
hatte ich an der Ölkrise, Willy Brandt oder wildem Rock'n
Roll. Kein Wunder, daß ich der Rockpoetin Patricia Smith
- abgesehen von einigen Hörproben - erst nach 25 Jahren Aufmerksamkeit
schenkte. Der schreiberprobte New Yorker Szene-Biograph und Victor
Bockris läßt ihr Leben und ihren Gesang Revue passieren,
wie er es zuvor schon an Blondie, Lou Reed und Velvet Underground
geübt hat.
Aha, denkt der in die Jahre gekommene Bild-Leser und wittert
Enthüllungen aus dem Sündenbabel des Big Apple. Damals,
als Hendrix seine Gitarre abschlabberte, Mick Jagger richtig Tinte
auf dem Füller hatte und David Bowie seine Klamotten bei
"Girls Only" kaufte. Damals, als sich das Leben um Sex'n
Drugs'n dilettantisches Geklampfe drehte.
Nach wenigen Seiten wird jedoch klar: Viel Lärm um nichts.
Patti Smith war kein Letzte-Seite-Luder, sondern - erschrecken
Sie nicht - eine Künstlerin. In zahlreichen Interviews berichtete
sie mal schnodderig, mal tiefgründig über ihre Ansichten,
und der eifrige Buchhalter Bockris hat jeden Schnipsel aufgehoben.
Statt der erhofften versudelten Biographie liefert er nun eine
saubere Auflistung chronologisch sortierter, teilweise dämlicher
Zitate: "Burroughs hat mir 'ne ganze Reihe neuer Tunnel
gezeigt, durch die ich fallen konnte." Auf jedes Zitat folgt
eine kurze Erläuterung aus Bockris eigener Feder: "William
Burroughs hielt sich damals ebenfalls im Chelsea Hotel auf, und
auch er hatte Einfluß auf Patti." Auf diese Weise schlurfen
sie mit eingeschlafenen Füßen heran, die Siebziger-Heroen.
Ehemaligentreff bei Patti, jeder bringt ein Anekdötchen mit,
Anführungsstriche werden gestellt. Wer lange genug wach bleibt,
lernt Patti kennen. Interessant ist sie aber nicht. Zitatende.
|