23 Romane und eine Handvoll Erzählungen hat der englische Schriftsteller Reginald Hill (1936-2012) seinem ungleichen Ermittlerpaar Andy Dalziel und Peter Pascoe gewidmet. Die Konventionen des Genres allerdings scheinen den hochproduktiven Autor rasch gelangweilt zu haben. Stilexperimente, verblüffende Erzählarrangements und ein außergewöhnlicher Wortschatz gehörten seit den späten siebziger Jahren zu den Markenzeichen seiner Romane, deren Übersetzung keine geringe Herausforderung darstellt. Vielleicht hatte es Reginald Hill schon deshalb hierzulande nicht leicht. Umso erfreulicher ist es, dass Midnight Fugue, der letzte Fall für den sensiblen Rüpel Dalziel und seinen studierten Sidekick Pascoe, mit acht Jahren Verspätung nun auch in deutscher Sprache vorliegt. Die letzte Stunde naht zeigt den Krimikünstler Hill in Bestform: anspielungsreich, ironisch und gewitzt.
Kriminalliteratur als intellektuelles Vergnügen zu betrachten, hat in Britannien Tradition. Und dieser kann sich offenbar auch ein Adrian McKinty nur schwer entziehen. Der im nordirischen Carrickfergus geborene und heute in Australien lebende Autor hat mit seiner Reihe um Sean Duffy, als Katholik in einer protestantisch dominierten Polizeitruppe der typische Außenseiter, eine Chronik der politisch und religiös motivierten Gewalt in der "Unruheprovinz" während der 1980er Jahre geschrieben. Dabei verzichtet er nicht auf publikumswirksame Effekte. Duffy ist ein Teufelskerl mit einem Herz aus Gold. Er säuft wie ein Loch und kifft wie ein Schornstein, löst aber dennoch die verzwicktesten Fälle. Wenn es darauf ankommt, vermag er sogar als Actionheld zu überzeugen.
In Rain Dogs, dem fünften Band der Serie, ist Duffy zum zweiten Mal in seiner Karriere mit dem klassischen Mord in einem geschlossenen Raum konfrontiert, so dass es reichlich Anlass für intertextuelle Referenzen gibt. Wie es McKinty gelingt, diesen zunächst disparat anmutenden Genremix überzeugend zu präsentieren, ist schon gekonnt. Und es ist vielleicht auch kein Zufall, dass einer von Duffys unangenehmeren Kollegen ausgerechnet Dalziel heißt.
Wenig Zeit für geistreiche Anspielungen hat der italienische Autor Matteo Strukul. In seiner Pulp-Story Mila geht es gleich heftig zur Sache. Eine junge Frau, durchtrainiert und gnadenlos, räumt unter den Vertretern des organisierten Verbrechens in Norditalien auf. Dabei spielt sie virtuos einheimische Mafiosi und chinesische Triaden gegeneinander aus. Ihr Motiv ist, wie sollte es anders sein, Rache. Und die fällt ziemlich blutig aus. Strukul erzählt plakativ mit einem Sinn für brutale Komik. Leider hält er diesen Stil nicht konsequent durch, sondern schiebt gelegentlich umfangreiche erklärende Passagen ein, die dem schnellen kleinen Roman eine leicht didaktische Note verleihen. Andererseits kann ein bisschen Landeskunde auch nicht schaden. Liebhaber lehrreicher Schundliteratur kommen auf jeden Fall auf ihre Kosten.
Wie ökonomisches Erzählen aussieht, lässt sich an Wallace Strobys zweitem Roman über die professionelle Gesetzesbrecherin Crissa Stone studieren. Schon die Eingangsszene, die Crissa und ihren Komplizen Hollis bei der Arbeit zeigt, ist von präziser Eleganz. Stroby lässt seine Figuren vor allem reden und handeln - was sie denken und fühlen, erfahren wir nur am Rande und wenn es unbedingt notwendig ist. Das ist die Erzählschule von George V. Higgins und Donald E. Westlake, dessen unter dem Pseudonym Richard Stark verfasste Romane um den geschäftsmäßigen Gangster Parker den Stoff liefern, aus dem eine Figur wie Crissa Stone gemacht ist. Mit dem signifikanten Unterschied allerdings, dass sie Gefühle und damit Identifikationspotential hat. Ist das eine Schwäche? Parallel zu Stroby einen Parker-Roman zu lesen und den Vergleich anzustellen, dürfte sich lohnen. |
Reginald Hill: Die letzte Stunde naht. Kriminalroman. Aus dem Englischen von Karl-Heinz Ebnet. 448 Seiten. Droemer. München 2017. € 22,99.
Adrian McKinty: Rain Dogs. Kriminalroman. Aus dem Englischen von Peter Torberg. 404 Seiten. Suhrkamp. Berlin 2017. € 14,95.
Matteo Strukul: Mila. Thriller. Aus dem Italienischen von Ingrid Ickler. 206 Seiten. Suhrkamp. Berlin 2017. € 8,99.
Wallace Stroby: Geld ist nicht genug. Roman. Aus dem Amerikanischen von Alf Mayer. 334 Seiten. Pendragon. Bielefeld 2017. € 17,00. |