Eigentlich ist es mir schon immer schlecht gegangen.
Wer einmal versucht hat, vom Verkauf kleiner Schriftstücke
zu leben, weiß, wovon ich rede. Manchmal gibt es noch nicht
einmal Geld, da manche Redaktion (die von 'Am Erker' nicht ausgeschlossen)
offenbar meint, Autoren seien schon damit zufrieden, ihren Namen
gedruckt zu sehen. Da freut sich der Zeilenknecht, wenn er wenigstens
das Rezensionsexemplar behalten kann, um es gegebenenfalls antiquarisch
zu versilbern. Doch auch das will nicht immer gelingen. Manche
Neuerscheinung wird man nämlich nicht einmal zu einem Drittel
des Ladenpreises los. Namen will ich hier nicht nennen, doch wundert
mich angesichts solcher Erfahrungen die Tatsache nicht mehr, dass
die Verlagsbranche des Klagens nicht müde wird. Andererseits
hält sich mein Mitleid in Grenzen, denn solange "Trendbüros"
"Trendbücher" herausgeben oder 50.000 Exemplare
eines "Aufklärungsbuches für Männer"
mit dem Titel Schicken ist fön in die Buchhandlungen
befördert werden, geht es den Verlagen noch nicht schlecht
genug.
Wer also um die notorische Geldknappheit von Schriftstellern weiß,
kann die großartige Geste einer Brigitte Kronauer, die den
Literaturpreis eines Fernsehsenders zurückgab, weil sich
das damit verknüpfte Filmprojekt nicht in ihrem Sinne verwirklichen
ließ, gar nicht genug bewundern. Dass solches Handeln sich
nicht einer heroischen Naivität in pekuniären Dingen
verdankt, kann man Kronauers kluger Rede "Die Lust an der
Peinlichkeit: Geschichten vom Geld", die in ihrem Essayband
Zweideutigkeiten abgedruckt ist, entnehmen.
Wollte mir heute jemand einen Preis verleihen, würde ich
nicht lange zögern. Aber leider gibt es viel weniger Preise
für Kritiker als für Dichter. Mit den Auszeichnungen,
die man als Modellflieger bekommen kann, ist es auch nicht weit
her. Außerdem vernachlässige ich diese Leidenschaft
schon seit langem. Wochenlang habe ich keinen Fuß mehr in
meine Werkstatt gesetzt. Wenn ich wenigstens stattdessen dicke
Bücher gelesen hätte, könnte ich ja zufrieden sein,
doch auch damit kann ich nicht dienen. Sie ahnen nicht, wie müde
das Austragen von Supermarktprospekten machen kann. Da ist man
froh, wenn man abends noch genug Energie aufbringt, Quizsendungen
im Fernsehen zu verfolgen.
Doch das muss ein Ende haben. Die unerwartete Lebensmittelspende
eines befreundeten Schriftstellers hat mich für die nächste
Zeit der Notwendigkeit enthoben, im Schweiße meines Angesichts
mein Brot zu verdienen. Sie werden sich fragen, was ausgerechnet
einen Schriftsteller zu solch großzügigem Tun veranlasst
haben mag. Nun, wie der italienische Autor Ermanno Cavazzoni richtig
festgestellt hat, braucht jeder Schriftsteller einen Kritiker,
damit er sich "einen Augenblick lang einbildet, er würde
existieren". Der Schriftsteller nämlich, so Cavazzoni
weiter, "ist nur ein flüchtiger Gast auf dieser Welt",
der den Kritiker benötigt, um kurzfristig zum Leuchten gebracht
zu werden. Meinem Schriftstellerfreund ist dieser Sachverhalt
durchaus bekannt, schließlich weiß er, dass ich seit
Monaten versuche, ein Exemplar seines letzten Romans über
den Internet-Antiquar "Booklooker" zu verkaufen. Das
Buch kam bereits im letzten Herbst auf den Markt, fand beeindruckte
Rezensenten und nur wenige Käufer und ist mittlerweile in
kaum einer Buchhandlung noch vorrätig. Das Fresspaket hat
ihm ein Lebensmitteldiscounter in jener Kleinstadt, wo er seit
drei Monaten das Amt des Stadtschreibers ausübt, zur Verfügung
gestellt.
Also sitze ich nun, in der einen Hand ein Leberwurstbrot, in der
anderen ein Buch, auf meiner Terrasse und freue mich über
die Strahlen der Frühlingssonne ebenso wie über die
Formulierungskünste Matthias Altenburgs, der mittlerweile
so berühmt ist, dass alles, was er für diverse Presseorgane
schreibt, später durch eine Buchveröffentlichung geadelt
wird. Altenburg kann sich sehr schön aufregen und noch schöner
begeistern. Seine Liebe zur guten Literatur ist groß und
die Treue zu seinen Lieblingsautoren, die nicht selten wie Hermann
Peter Piwitt vom Betrieb längst vergessen sind, vorbildlich.
Manchmal erfindet er Typen wie den Staubsaugervertreter Harry,
der in einer Hotelbar in Bremen die Grundregeln des Haustürverkaufs
erläutert. Vielleicht gibt es Harry wirklich, aber auch dann
ist er so gut wie erfunden, so ideal macht er sich als Kronzeuge
in einer sprachkritischen Kolumne. Altenburg selbst benutzt gerne
Wendungen wie "richtig doofer, verhurter Kitsch" oder
"Pipimädchenprosa", um klarzustellen, was er nicht
mag. Das klingt zum einen hübsch vorgestrig nach knorrigem
altem Kritiker, aber, wegen des hingeschleuderten "richtig
doof", auch erfrischend kindlich. Froh, dass es Matthias
Altenburg gibt, stelle ich das Buch zurück ins Regal und
hole einen Besen aus dem Keller. Die Werkstatt muss endlich mal
wieder auf Vordermann gebracht werden.
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