Am Erker 79

Christoph Leisten: grand hotel tazi

 
Rezensionen

Christoph Leisten: grand hotel tazi
 

Katze zu Besuch
Rolf Birkholz

Das Gedicht sei "ein bewohnbares zimmer", steht gleich in den ersten Versen des neuen Gedichtbandes grand hotel tazi von Christoph Leisten, "es legt seine geschichte aus / und verbirgt sie vor dir". Und, mehrdeutig: "du muss es selber finden, das Zimmer / der schlüssel liegt in der rezeption".
Später gehen die Gedanken dahin, den Zimmerschlüssel irgendwann letztmals zurückzugeben, wird er zum Schlüssel des Lebens. In Marrakesch erlebt Leisten, für seine poetischen Beobachtungen in Marokko bekannt,  das Grand Hotel Tazi, in dem über die Jahre schon einige bekannte Literaten abstiegen, als "andersort, widerlager für einen / moment der entgrenzung". Und das lyrische Du schreibt seine Zeilen "als brief in die luft."
Ja, luftweich und lichtleicht wirken die Verse dieses Dichters, ohne Übergepäck. Er spürt behutsam den Verhältnissen auch in einem Herbst gewordenen "arabischen Frühling" nach ("nachrichten im dezember"), dabei im Äußeren stets das Innere suchend, gleich jenem Alten etwa, der vom "brachland hinter dem hotel", aus dem "abseits / aufbricht, einen takt in all dem zu finden."
Der Leser wird also nicht vordergründig mit nordafrikanischer Exotik bedient, sondern "aus abstraktionen wächst / eine welt auf uns zu." Existenzielles wird berührt, Vergänglichkeit ("verheißung", "was bleibt"). In "besuch" gelingt dem 1960 geborenen Autor ein treffendes Bild von Dichtung. Vom Besuch einer Katze heißt es dort leicht doppeldeutig, dennoch vielleicht mit einem Hauch Hoffnung zu lesen: "doch sie erinnert mich / an deine dichtung, wie sie mich fragend anschaut, / als wäre vom menschen, woher auch immer // noch irgendetwas zu erwarten."

 

Christoph Leisten: grand hotel tazi. Gedichte. 48 Seiten. Rimbaud. Aachen 2020. € 20,00.