Am Erker 70

Franziska Röchter: am puls

 
Rezensionen
Franziska Röchter: am puls
 

Die Rhapsodie im Knie
Rolf Birkholz

Immer in Bewegung und dicht an dem, was sich bewegt. Der Titel von Franziska Röchters neuem, zweitem Gedichtband liegt auf einer Wellenlänge mit dem des ersten. Auf hummeln im hintern (2009) folgt nun am puls. Und auch hier zeigt sich die Autorin stets reimbereit und worterfinderisch. Und lyrischmusikalisch.
Denn Franziska Röchter scheint schreibend schon das gesprochene Wort im Ohr zu haben. Bei den Texten der auch im Bereich der Slam Poetry versierten Dichterin zeigt sich, wie zunächst fürs stille Lesen und direkt für den künstlerischen Vortrag gedachte, historisch sowieso zusammengehörende, Schreibweisen voneinander profitieren können.
Hier ("auf speed") können Verse richtig in Fahrt kommen, "rennen sprinter sich ins schweben / sprinten rentner sich ins leben / fliehen geister fliegen ohren / wird ein mensch ganz neu geboren". Und auch das Titelgedicht lässt die Versfüße tanzen: "es ist der blues in deiner brust / der swing und soul im knie / es ist das was du kannst nicht musst / es ist die rhapsodie".
Die Gedichte der 1959 geborenen ostwestfälischen Österreicherin insgesamt erscheinen als ein Tanz ans Licht. Wenn das lyrische Subjekt zurückblickend erkennt: "im zimmer meiner kindheit / ist alles ordentlich | die wände | tapeten bunt gemustert | blindheit / liegt über allem | ein gedimmtes / ein sparsamlicht", dann bringt es sein Leben längst Zeile für Zeile nach eigener Ordnung auf die Reihe.
Da hinein gehören auch einmal ganz verrückte Spaßsachen ("kladaradatsch"), nicht zuletzt aber ein kritischer Blick auf gesellschaftliche Zustände, etwa auf die Massenschlachtungen und die Frage ins Gewohnheitsgefängnis, warum es nicht endlich auch "fleisch.los" gehe. Immerhin sei sie Dichter geworden, heißt es dort, Lehrer dürften ja "nicht politisieren".
Dabei schwelgt die Autorin auch nicht in reiner Naturseligkeit, macht sich etwa lustig über exzessive sprachliche Baumbetrachtungen: "der baum wird jetzt thematisiert / der baum im winter wie er friert / der baum im herbst der baum ganz kahl / der baum im ständer und als pfahl".
Im Vorwort beschreibt Hellmuth Opitz, was diese Gedichte "melodisch so überzeugend macht." Und unbedingt zu empfehlen ist der romantisch-melancholische "farnwald"-Zyklus. Dort ist ein Ort gehüllt "in schweigen / es ist nicht erlaubt // sich zu berührn / sich anzusehn / ich darf nur still vor dir sinniern / die stunden gehn und gehn / verwehn / das alte / weil wir uns verliern".

 
Franziska Röchter: am puls. Gedichte. 156 Seiten. Geest. Vechta 2015. € 10,80.