Am Erker 75

 

 
Texte
Am Erker 75, Münster, Juni 2018
 

Franziska Gerstenberg
Milchschaum

Das war es, woran sie sich erinnerte, wenn sie an ihn dachte. Wie er mit seiner großen Tasse, der mit dem angeschlagenen Henkel, bei jedem Wetter auf dem Balkon saß. Wie er trank, sehr langsam, und dabei nichts tat, nur ein wenig zur Hauswand gegenüber sah und in die Krone des dürren Baumes zur Rechten. Er brauchte immer eine halbe Stunde für diese Tasse Kaffee, und die ganze Zeit über hatte er Milchschaum auf der Oberlippe.
Jetzt stand sie zusammen mit dem Bestatter am Sarg und sah auf das Gesicht hinunter. "Könnte man nicht …", fragte sie. Sie beschrieb, was sie meinte. Der Bestatter schaute sie ratlos an. "Wieso soll ich … das trocknet doch", sagte er. "Der Schaum trocknet ganz schnell ein, und dann ist er weg, dann ist nichts mehr da."
Sie drehte sich um. Sie drehte sich erneut um und sah ihrem Mann weiter ins Gesicht.