Christoph Caspers
In diesem Sommer habe ich im Stillen Gutes getan.
Bislang habe ich zu niemandem davon gesprochen. Auch sonst habe
ich es in keiner Form bekannt- oder öffentlich gemacht. Was
ich getan habe, wird bei den meisten auf Unverständnis stoßen.
Eine überwiegende Mehrheit wird es für verrückt
halten. Einige wenige werden den subversiven Charakter meines
Tuns erkennen, die Obrigkeit wird aufmerksam werden. Es handelte
sich schließlich um die entscheidende Unterstützung
eines schädlichen Elements. Ich leistete Hilfe, ermöglichte
ein Weiterleben, wo das Totschlagen weltweit als angemessen betrachtet
wird. Ich bewahrte eine Fliege, die in meinen Kaffee gefallen
war, vor dem Ertrinken. Ich trug sie sogar noch eigens in die
mittägliche Sonne, damit sie schneller trockne und weiterfliegen
könne. Ich half ohne Ansehen der Person, wie man so sagt.
Zudem gestand ich mir widerwillig ein, daß ich in dem Fluginsekt
ein Lebewesen vor mir hatte, das in seiner Stellung, seinem Ansehen
in der Welt mir vergleichbar war. Einige Gesetze schützten
mich. Der ihnen zugrundeliegende Humanismus konnte aber jederzeit
revidiert werden, wie die Geschichte uns lehrt. Für die Fliege
und ihresgleichen war kein Schutz vorgesehen. Ich fühlte
mich ihr auf verquere Weise verbunden. Zu meiner Verteidigung
sei gesagt, daß ich nach der beschriebenen guten Tat keine
Befriedigung empfand, wie man meinen könnte. Vielleicht fällt
ebenso noch ins Gewicht, daß ich den Kaffee angeekelt wegschüttete.
Und um die Wahrheit zu sagen: ich war bestürzt. Jetzt hatte
ich auch noch eine Fliege gerettet.
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