Texte
Am Erker 42, Münster, Dezember 2001
 

Christoph Caspers
Nach einer guten Tat

In diesem Sommer habe ich im Stillen Gutes getan. Bislang habe ich zu niemandem davon gesprochen. Auch sonst habe ich es in keiner Form bekannt- oder öffentlich gemacht. Was ich getan habe, wird bei den meisten auf Unverständnis stoßen. Eine überwiegende Mehrheit wird es für verrückt halten. Einige wenige werden den subversiven Charakter meines Tuns erkennen, die Obrigkeit wird aufmerksam werden. Es handelte sich schließlich um die entscheidende Unterstützung eines schädlichen Elements. Ich leistete Hilfe, ermöglichte ein Weiterleben, wo das Totschlagen weltweit als angemessen betrachtet wird. Ich bewahrte eine Fliege, die in meinen Kaffee gefallen war, vor dem Ertrinken. Ich trug sie sogar noch eigens in die mittägliche Sonne, damit sie schneller trockne und weiterfliegen könne. Ich half ohne Ansehen der Person, wie man so sagt. Zudem gestand ich mir widerwillig ein, daß ich in dem Fluginsekt ein Lebewesen vor mir hatte, das in seiner Stellung, seinem Ansehen in der Welt mir vergleichbar war. Einige Gesetze schützten mich. Der ihnen zugrundeliegende Humanismus konnte aber jederzeit revidiert werden, wie die Geschichte uns lehrt. Für die Fliege und ihresgleichen war kein Schutz vorgesehen. Ich fühlte mich ihr auf verquere Weise verbunden. Zu meiner Verteidigung sei gesagt, daß ich nach der beschriebenen guten Tat keine Befriedigung empfand, wie man meinen könnte. Vielleicht fällt ebenso noch ins Gewicht, daß ich den Kaffee angeekelt wegschüttete. Und um die Wahrheit zu sagen: ich war bestürzt. Jetzt hatte ich auch noch eine Fliege gerettet.