Betrachtet, nicht gepredigt
Rolf Birkholz
Allein schon die offene Frage: "Warum reden die Gäste so laut, / wenn sie den Garten betreten" am Ende des Gedichts "An der Hecke" lässt ein bisschen aufschrecken. So besonders leise geht es in Hans Georg Bullas neuem Band zu. Ein letztes Blau in die Augen gerieben bietet außerdem Augen erfrischende Malerei auf Papier von Peter Marggraf.
Leise, doch nicht unbeteiligt: Diese poetische Stimme predigt nicht, wie "Die Sonntagsfrage" zumindest erwägt ("Als ginge ich wie der Heilige durch / den Garten und hätte eine Predigt / zu halten"). Sie betrachtet vor allem, schaut hin, hebt so hervor. Sie beschreibt "Wie Erinnerung entsteht", "Die Geschichte der Kindheit" in drei Bildern oder blickt einfach aufs "Erntefeld".
Einfach freilich sind die so evozierten Verhältnisse keineswegs. Es empfiehlt sich sehr, wie es Bulla selbst auch bei Lesungen hält, manche seiner stillen Zeilen gleich ein zweites Mal zu lesen, um sie sich ins rechte Licht zu rücken.
So fährt "eine weiß lackierte Straßenbahn" auf einmal eben doch "wild sprühend in allen Farben" vorbei. Und wenn angesichts eines Doppeldeckers an die "Aeroplane" von einst erinnert wird, mag sich der Titel des Gedichts, "Himmelfahrt", auf frühe Flugunternehmungen beziehen, entrückt aber zugleich den ebenfalls erwähnten, gleichnamigen Feiertag sanft wie in vergangene Zeiten.
Wenn Jungs "am Bahndamm / den versteckten Satz Werkzeuge" fanden und damit spielten ("Gleisarbeiten"), dann macht der Dichter in Erinnerungsbildern verborgenes Material formend sichtbar.
Auch Birkenrinden, "jede trägt eine heimliche Bibliothek", empfiehlt Hans Georg Bulla zur Lektüre. Hier, wo das Bild die Schrift und diese jenes ist, wäre zumal das reine Schauen gefragt. Da bieten sich zudem Peter Marggrafs vierzehn Malereien zum Thema "Die Stunden zwischen den Tagen" an. Sie lassen die Titel-Farbe überraschend körperlich wirken.
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