Am Erker 74

Felix Huby: Lehrjahre

 
Rezensionen

Felix Huby: Lehrjahre
 

Liebenswürdig
Matthias Kehle

Wer ein Leben wie Felix Huby hinter sich hat, hat viel zu erzählen. Der "Erfinder" der Kommissare Bienzle, Palu und Schimansky, Autor endlos vieler Tatorte, Fernsehserien und Krimis sowie ehemaliger Journalist ist denn auch mit allen erzählerischen Wassern gewaschen. Und er weiß, dass es ein authentisches biografisches Erzählen nicht gibt, weshalb er auch den zweiten Band der Geschichte um den jungen Jounalisten Christian Ebinger "Roman" nennt.
Christian Ebinger hat, wie vor Jahrzehnten Huby selbst, als junger Lokal-Redakteur im schwäbischen Blaubeuren seine Karriere begonnen. Ebinger kommt Anfang der 1960er Jahre in ein Provinznest, wo der Filz regiert, wo der Bürgermeister seinem Vorgänger diktierte, was er zu schreiben hat, und der Dorfarzt lieber beim Trollinger Skat klopft, als seinen samstäglichen Notdienst zu machen.
Mit Talent, dem unbedingten Willen, ein guter Journalist zu werden, und reichlich Naivität mischt der junge Mann das Städtchen auf: Er verhindert eine Müllentsorgungsanlage, schreibt über verwaiste Tiere, über Bürgermeisterkandidaten oder über die Versöhnung einer unter den Nazis enteigneten jüdischen Familie mit dem Erben des Profiteurs. Der Redakteur schreibt allenthalben gegen die Restauration in seinem typisch schwäbischen Städtchen an und macht anrührende menschliche Begegnungen. Was Felix Huby alles erfunden oder selbst erlebt hat, ist nebensächlich: Lehrjahre ist ein ebenso liebenswürdiger wie politischer Entwicklungsroman, stringent und leichtfüßig. Da dürfen natürlich Amouren und Liebesgeschichten nicht fehlen, so die Nacht Ebingers mit der sehr viel älteren Dorothee, die am Ende dann doch noch ihre große Liebe findet. Der junge Redakteur verliebt sich hingegen in seine Fotografin, die schnell schwanger wird. Am Ende will der Leser unbedingt mehr: Er will wissen, ob es die alten Cliquen schaffen, den verhassten Ebinger aus Blaubeuren zu vertreiben, oder erfahren, wie es nach der Hochzeit des jungen Paares um die große Karriere steht, die sich bei Christian Ebinger andeutet. "Die letzten zwei, drei Jahre scheinen die interessantesten und fruchtbarsten meiner Schriftstellerei gewesen zu sein", schreibt Felix Huby ganz richtig auf seiner Website und: "Ob der Verleger mich noch einmal rumkriegt und ich einen dritten Band schreibe, steht im Augenblick noch in den Sternen." Möge sein Verleger hartnäckig und erfolgreich sein - selten hat ein Autor so menschenfreundlich, treffend und höchst spannend über das zweite Drittel des letzten Jahrhunderts geschrieben.

 

Felix Huby: Lehrjahre. Roman. 376 Seiten. Klöpfer & Meyer. Tübingen 2016. € 25,00.