Freiheit und Pflaumen
Rolf Birkholz
In einer schwachen Stunde zweifelt auch Ataol Behramoglu an seinem Tun, ein bisschen. Denn in den Zeilen "Was ist schon ein Gedicht / Du fühlst es verstehst es weht vorbei" wird zwar das Flüchtige der Dichtung beklagt. Aber ein Versgebilde zu fühlen, zu verstehen, ist ja doch schon viel. Und so ist der zweisprachige, von Safiye Can übersetzte Band Im Herzen ein Kind in der Tasche ein Revolver, die erste auf Deutsch vorliegende Auswahl des 1942 geborenen, in der Türkei prägenden Dichters, auch eher vom Vertrauen in die Kraft des Geschriebenen durchzogen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich Behramoglu auch als politischer Autor begreift. Nach dem Militärputsch 1980 hatte man ihn ins Gefängnis gesteckt. "'Versteck dich nicht Papa' / Ruft mein Kind /Vorwurfsvoll, mit verzweifeltem Blick", registriert er in "Besuchszeit" bitter die Reaktion seines kleines Kindes auf den ihm hinter dicken Gitterstäben versperrten Vater.
"Und wieder wieder wieder / Regen sich Gedichte in mir", juckt es ihn ("15. Juli 1973") in den Fingern angesichts der chilenischen Arbeiter, "Die heute ihre Fabriken besetzten". In den "Gedichten für Chile" schreibt Behramoglu über "die ersten Gedichte / die mich formten", wie erste Liebes- und Sehnsuchtsgedichte des Jünglings die Plätze tauschten "mit der Beziehung des Gedichts / zur Revolution / Und der Beziehung der Revolution / zum Gedicht". Und weiter: "Die 60er Jahre / die Hoffnungsjahre / Flink wie der Wind / verteilten wir die Flugblätter / auf dem Boulevard / als würden wir 'die Sonne / bändigen'".
Insgesamt spiegeln diese Gedichte Gefühle und Erkenntnisse zwischen Aufbegehren und Ernüchterung wohl auch die Erfahrungen einer ganzen politisch engagierten Generation. "Du bist ein Mensch, wenn du Schmerz empfindest / Weil andere Leid ertragen" drückt die Grundhaltung aus. Auch die Liebe und ein jeder Hinsicht intensives Leben werden beschworen ("Wenn du lebst, lebe überdimensional"). Der Titel entstammt einem frühen Liebesgedicht, markiert 1965 Abschied und Aufbruch. Der Blick zurück, 2000: "So viele Gedichte hab' ich gelesen geschrieben / Und so viel Liebe erlebt erfahren / Von alledem wähle ich: / Einen Feldweg, eine Trillerpfeife aus Weidenholz / Ein Taschenmesser perlmuttbezogen / Und die Hosentaschen voll Pflaumen". Mit diesem Band setzt der Elif-Verlag am Niederrhein seine verdienstvolle Arbeit fort, neben deutscher auch türkische Lyrik dem Publikum nahezubringen.
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