Am Erker 67

Heinz Kattner: 'Lautloses Rufen'

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Heinz Kattner
zu Klampen

 
Rezensionen
Heinz Kattner: Lautloses Rufen
 

Eine Spur entziffern ...
Simon Scharf

So schillernd, mannigfaltig und vieldeutig Heinz Kattners lyrische Prosa in Lautloses Rufen nach mehrmalig staunendem Lesen auch erscheint, so behände scheint sich dennoch eine Art vages Grundmotiv herauszukristallisieren: Ein lyrisches Du, gekennzeichnet von sehnsüchtigem Streben, von Aufbruch und Zukunfts-Sucht, von Rhythmus, Bewegung und Entsagung jeglicher Stagnation. Ein sinnliches und empfindsames Du, das im Sehen, Fühlen, Riechen und Schmecken einen vor ihm liegenden Weg zu beschreiten sucht - ständig variierend zwischen konkreter und metaphorischer Auffassung; zwischen dem plastisch fassbaren Naturweg, eingebettet in landschaftlich glänzende Horizonte, dem metaphorischen Lebensweg, dem religiös-moralischen Heilsweg. Ein lyrisches Du, das immer aber auch Zweifel und Rückschläge ereilen ("Nicht die Zahl der Schritte beglaubigt den Weg."), dessen Fortschrittsoptimismus Gegenwind erfährt, dessen lebensbejahende Grundhaltung sich im punktuell aufblitzenden Todesbewusstsein zu behaupten suchen muss. ("Du wirst erst Klang nach der Feuerprobe.") Dennoch ist Kattners Lyrik durchsetzt von einer üppigen Farbpalette konkreter Orientierungswerte: Existenziell die Bedeutung des (erinnerten) Wortes in Form tradierter Texte, in Form mündlich ritualisierter Versprechen und Zusprüche. Als zentral erweist sich darüber hinaus die Relevanz des biblischen Vorbildes Christus, allgemein gesprochen die gleichsam verkörperten Züge der Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe. Orientierungsbildend sind zuletzt jegliche Formen der Betrachtung und Einverleibung von Natur und Außenwelt über das Instrumentarium der Sinne.
Heinz Kattners kleiner, leiser und bildreicher Band ist als individueller Entwurf eines Lebensweges eine wohlportionierte Reise wert.

 
Heinz Kattner: Lautloses Rufen. Lyrische Prosa. Zu Klampen. Lüneburg 2013. € 18,00.