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Gmeiner
Sabine Klewe
Kunstmann
Unionsverlag
Tran-Nhut
Grafit
Wilfried Eggers

 
Mord & Totschlag 56
Die Krimi-Kolumne von Joachim Feldmann
 

Von allen fiktiven Ermittlern bedarf der Amateurdetektiv des Zufalls am nötigsten. Während seine professionellen Kollegen gewöhnlich in einem Auftrag unterwegs sind, der sie über Leichen stolpern lässt, kann der Freizeitschnüffler in der Regel keine Erklärung für den seltsamen Umstand vorweisen, dass er die Gewaltverbrechen anzieht wie eine faulende Birne die Fruchtfliegen. Uns Lesern ist das vernünftigerweise meistens egal. Wer sich an der Aufklärung erfundener Delikte erfreut, mit denen er im wirklichen Leben keinesfalls konfrontiert werden möchte, sollte seinen Realitätssinn zeitweise suspendieren können. Die Düsseldorfer Autorin Sabine Klewe allerdings strapaziert in ihrem Roman Blutsonne die Zufallstoleranz zumindest dieses Lesers auf geradezu unschickliche Weise. Bereits zum vierten Mal befindet sich die Fotografin Karin Sandmann in der Altbiermetropole auf Mörderjagd. Ein in der lokalen Kriminalgeschichte bewanderter Psychopath bringt seine Opfer an historischen Hinrichtungsstätten ums Leben. Schon bald kommt ihm die "charismatische Amateurdetektivin" (Verlagsinformation) auf die Spur, gelangt sie doch zufällig (!) an Informationen, die bereits etliche Seiten vor dem Ende des Romans zu dessen Verhaftung führen könnten. Da sich aber die Autorin für das Finale eine Art Showdown erdacht hat, muss noch ein kleines Verwirrspiel inszeniert werden. Schließlich gehört in einen Roman dieser Art unbedingt jene Szene, in der sich die Heldin entscheidet, auf den Anruf bei der Polizei zu verzichten und "der Sache selbst auf den Grund zu gehen", um dann schnurstracks dem Mörder in die Arme zu laufen. So richtig spannend wird die Angelegenheit dadurch leider auch nicht mehr, zumal das Tatmotiv selbst für einen Psychopathen wenig überzeugend wirkt.

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Dass man einen gelungenen Kriminalroman auch unter Verzicht auf Thrillereffekte schreiben kann, zeigt wieder einmal der mysteriöse Max Bronski aus München. Schampanninger, sein dritter Roman um den bärbeißigen Trödler Wilhelm Gossec, führt uns vom proletarischen Schlachthofviertel in die besseren Kreise der "Weltstadt mit Herz". Es ist Advent. Gossec springt bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung für Obdachlose als Nikolaus ein und findet in dem "goldenen Buch" nicht nur sein Redemanuskript, sondern auch ein Tütchen mit Kokain. Ein Schlag auf den Schädel verhindert, dass er der Sache sofort auf den Grund gehen kann. Doch solcherlei Blessuren können den kampferprobten Gelegenheitsdetektiv nicht aufhalten, zumal wenn er sich an dem mit allen Wassern gewaschenen Bernie Berghammer reiben kann, einem Sternekoch, dessen legendärer Geschäftssinn nicht immer zwischen legalen und illegalen Unternehmungen zu unterscheiden weiß. Gewohnt souverän löst Gossec gleich mehrere Fälle zur Zufriedenheit seiner Leser, denen er allerdings nicht nur wegen seines kriminalistischen Talents ans Herz gewachsen sein dürfte. Bronskis München-Krimis sind vor allem liebevoll-ironische, gelegentliche satirische Übertreibung nicht scheuende Milieustudien, die vom rauen Charme ihres Helden, der seine Abenteuer selbst erzählen darf, profitieren.

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Geografisch wie auch zeitlich weit entfernt von Miet-Nikoläusen und Schickeriaköchen spielt das deutschsprachige Debüt zweier in Vietnam geborener und seit langem in Frankreich lebender Schwestern, die unter dem Namen Tran-Nhut historische Kriminalromane verfassen. Bislang liegen sechs Abenteuer des jungen Mandarins Tân vor, der im 17. Jahrhundert als Richter in einer vietnamesischen Hafenstadt Verbrechen aufklärt. Bei uns beginnt die Reihe seltsamerweise mit dem dritten Band, der 2002 im Original erschienen ist und nun von Michael Kleeberg in ein wunderbar elegantes Deutsch übertragen wurde. Sein Titel, Das schwarze Pulver von Meister Hou, bezieht sich auf eine mysteriöse Droge mit fataler Wirkung, wie ein französischer Jesuit, den es nach Asien verschlagen hat, berichten könnte. Aber der Roman handelt auch von anderen Obsessionen, der Gier nach Besitz und dem Willen zur Macht beispielsweise, die Menschen dazu treiben, furchtbare Verbrechen zu begehen, wie Mandarin Tân bei seinen Ermittlungen feststellen muss. Ganz falsch wäre es allerdings, stellte man sich diesen historischen Kriminalroman nun als einen finsteren Schmöker vor. Die erfindungsreichen Schwestern Tran-Nhut besitzen einen manchmal durchaus derben Sinn für Humor und sparen auch nicht an parodistischen Elementen. Liest man die autobiografische Skizze im Anhang des Romans, gewinnt man den Eindruck, dass sich die beiden ebenso von westlicher Popkultur beeinflusst fühlen wie von den Traditionen ihrer ursprünglichen Heimat. Jedenfalls ergibt die Mischung ein exquisites Lesevergnügen, und man kann nur hoffen, dass der Unionsverlag möglichst bald die anderen Romane der Reihe übersetzen lässt, am besten von Michael Kleeberg.

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Selten kommt etwas Gutes dabei heraus, wenn Autoren sich entscheiden, mittels Literatur politische Aufklärung zu betreiben. Literarische Texte eignen sich nur sehr bedingt dazu, Botschaften, und seien sie auch noch so gut gemeint, den richtigen Adressaten zukommen zu lassen. Aber es gibt auch Ausnahmen, das vorliegende Buch ist eine davon.
Welche Absicht den Schriftsteller und Rechtsanwalt Wilfried Eggers umtreibt, verrät schon der Titel seines neuen Kriminalromans, Paragraf 301. Dieser Passus des türkischen Strafgesetzbuches stellt, unter anderem, die "Beleidigung der türkischen Nation" unter Strafe und macht so eine kritische Auseinandersetzung mit Geschichte und Politik in der Türkei unmöglich. Auch Eggers' Roman wäre davon betroffen, liegt ihm doch eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der türkischen Republik zugrunde, der Völkermord an der ethnischen Minderheit der Zaza in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Paragraf 301 spielt Mitte der neunziger Jahre in Norddeutschland. Rechtsanwalt Peter Schlüter hat sich sein Leben behaglich eingerichtet, deshalb ist er gar nicht begeistert, als ihn ein Dönerbudenbesitzer darum bittet, seinen Neffen in einem Asylverfahren zu vertreten. Diesem drohe in der Türkei wegen Beteiligung an einem Brandanschlag eine langjährige Haftstrafe. Dabei sei er unschuldig. Zeitgleich wird Schlüter in den Fall eines illegalen türkischen Arbeiters verwickelt, der auf einer Baustelle einen Kontrolleur des Arbeitsamtes umgebracht haben soll. Während der mutmaßliche Mörder zur diskriminierten religiösen Minderheit der Aleviten gehört, handelt es sich bei dem asylsuchenden Neffen um einen radikalen türkischen Nationalisten. Aber dies bleibt nicht der einzige Konflikt, mit dem sich Schlüter auseinandersetzen muss. Seine Fälle zwingen ihn dazu, sich mit Aspekten der türkischen Geschichte zu beschäftigen, von deren Einfluss auf die hier lebenden Einwanderer die meisten Deutschen nichts ahnen. Erst durch eine Reise nach Anatolien gewinnt Schlüter Klarheit, doch zu einer zufriedenstellenden Auflösung kommt es nicht.
Wilfried Eggers gelingt es über weite Strecken seines eindringlich erzählten Romans dessen historischen und politischen Hintergrund bruchlos in die Handlungsstruktur zu integrieren. Dialogpassagen, deren didaktischer Charakter offenkundig ist, werden zwar nicht vollständig vermieden, fallen aber nur selten unangenehm auf. Zudem gilt die aufklärerische Absicht des Autors einem Staatsverbrechen, über das, abgesehen von einigen dürren Informationen, die man im Internet finden kann, hierzulande so gut wie nichts bekannt ist. Dass sich das nun ändert, möchte man nach Lektüre dieses Buches, wider besseres Wissen, hoffen.

 

Sabine Klewe: Blutsonne. Der vierte Fall für Karin Sandmann. Roman. 280 Seiten. Gmeiner. Meßkirch 2008. € 9,90.

Max Bronski: Schampanninger. Kriminalroman. 174 Seiten. Kunstmann. München 2008. € 14,90.

Tran-Nhut: Das schwarze Pulver von Meister Hou. Ein Kriminalfall für Mandarin Tân. Roman. Aus dem Französischen von Michael Kleeberg. Unionsverlag. Zürich 2008. € 19,90.

Wilfried Eggers: Paragraf 301. Roman. 475 Seiten. Grafit. Dortmund 2008. € 19,90.