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Mord & Totschlag 53
Die Krimi-Kolumne von Joachim Feldmann
 

Wer Kriminalromane bevorzugt, in denen tagesaktuelle Themen, garniert mit einer schröcklichen Mordgeschichte, abgehandelt werden, sollte unbedingt das neue Buch von "Schwedens Queen of Crime" (Andrea Fischer), Liza Marklund, lesen. Ein Kundensegment, dem weder hölzerner Stil noch ein grob zusammengezimmerter Plot den Lesespaß verderben kann, findet in Nobels Testament die ideale Lektüre, bedient Marklund doch passgenau jenes Bedürfnis nach pseudo-realistischem Eskapismus, dem sich der nicht enden wollende Boom skandinavischer Krimis verdankt.
Während die tapfere Journalistin Annika Bengtzon daheim Bergmans Szenen einer Ehe nachspielt, tobt im Nobelpreiskomitee ein, im wahrsten Sinne des Wortes, mörderischer Konkurrenzkampf, der sein erstes Opfer ausgerechnet während der Gala zur Verleihung der begehrten Auszeichnung fordert. Bengtzon, die über die Veranstaltung berichten soll, wird Augenzeugin des Attentats und von der Polizei zum Schweigen verpflichtet. Doch die schrecklichen Bilder verfolgen sie bis in ihre Träume, so dass sie gar nicht anders kann, als der Sache nachzugehen, obwohl sie eigentlich nicht die rechte Energie dafür aufbringt. Denn ihre Eheprobleme, der Umzug in eine feine Gegend, Ärger mit einem cholerischen Nachbarn und natürlich die Sorgen um ihre beiden Kinder halten Annika Bengtzon schwer auf Trab und helfen mit, mindestens die Hälfte des über 400 Seiten starken Romans zu füllen. Da zudem noch eine ganze Reihe anderer wichtiger Themen eingebaut werden müssen, von den Machenschaften der CIA bis zu den neuesten Entwicklungen auf dem Zeitungsmarkt, ist für die Suche nach dem Drahtzieher hinter der Mordserie - es bleibt nicht bei einer Leiche - verhältnismäßig wenig Platz übrig. Wie gut, dass sich der Fall letztlich beinahe von selbst klärt. Ein Roman wie dieser lässt den leisen Verdacht aufkommen, dass seine Verfasserin das Genre eigentlich geringschätzt.
Ganz dicht am Puls der Zeit gibt sich auch Die Macht des Mr. Miller, der erste ins Deutsche übersetzte Kriminalroman des niederländischen Autors Charles den Tex. Ein Angestellter einer weltweit tätigen Beratungsfirma wird durch Zufall Zeuge eines Mordes, der sich ausgerechnet im Amsterdamer Hauptquartier seines Arbeitgebers ereignet. Natürlich fällt der Verdacht auf ihn, und da er einige Mühe hat, seine Unschuld zu beweisen, ist er schon bald auf der Flucht. Aber nicht nur die Polizei will seiner habhaft werden, auch einige böse Buben sind ihm auf den Fersen. Merkwürdigerweise scheinen sie immer zu wissen, wo er sich aufhält. Des Rätsels Lösung hat mit dem weltweiten Computernetz zu tun und sei hier nicht verraten. Aber dass es sich um eine groß angelegte Verschwörung finsterer Mächte handelt, vermutet der kundige Leser sowieso nach wenigen Seiten. Interessant ist an diesem Thriller weniger der Versuch, das Bedrohungspotenzial moderner Kommunikationstechnologien literarisch zu mobilisieren, als vielmehr sein Verharren in tradierten Erzählmustern des Genres. Am Ende werden nicht nur die Hintermänner der Verschwörung und ihre üblen Absichten entlarvt, auch ihr perfider Plan kann durch das entschlossene Handeln einer Gruppe edler Computerhacker noch rechtzeitig vereitelt werden. Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Macht des Mr. Miller ist solide konstruierter Spannungsroman. Aber auch nicht mehr. Denn selbst die avancierteste Technik lässt sich offenbar problemlos mit den erzählerischen Mitteln des 19. Jahrhunderts darstellen. Und das ist letztlich doch ein bisschen langweilig.
Da bietet Arsen Rewazows fantastischer Thriller Der schwarze Gral schon mehr. In seinem Heimatland hat der studierte Mediziner, der in Moskau eine Werbeagentur betreibt, mit seinem ersten Roman sofort einen Bestseller gelandet. Ein Umstand, der unbedingt für den Geschmack des russischen Lesepublikums spricht. In diesem aberwitzigen Schmöker findet sich alles, was das Genre verlangt: eine geheimnisvolle religiöse Gemeinschaft, die seit Jahrtausenden ihr Unwesen treibt, kryptische Zeichen, ein bisschen Erotik und drei tapfere Freunde, die sich mutig dem Bösen in den Weg stellen. Glücklicherweise ist Rewazow ein Autor, der diese klischeetriefende Mischung mit einer gehörigen Portion Witz und Ironie serviert und so zu einem großen Lesevergnügen werden lässt. Zudem ist der Roman mit literarischen Anspielungen förmlich gespickt. Die haben zwar nicht immer viel zu bedeuten, ihre Entschlüsselung aber macht großen Spaß. Und bei aller Fantastik: Wer etwas über das Leben der jungen Generation im heutigen Russland erfahren will, wird hier ebenfalls fündig. Einen "schwarzen Gral" allerdings sucht man vergebens, weiß der Teufel, was sich der Verlag bei diesem Titel gedacht hat.
Einer ganz anderen Tradition verpflichtet ist der angebliche Ex-Theologiestudent Max Bronski, der seinen Amateurdetektiv Wilhelm Gossec zum zweiten Mal ermitteln lässt. Im Stil der hartgesottenen Privatschnüffler amerikanischer Prägung schlägt der Trödler aus dem Münchener Schlachthofviertel eine Schneise durch ein Dickicht aus Korruption und Immobilienspekulation, ohne jedoch das Gestrüpp wirklich lichten zu können. Auf den Sieg der Gerechtigkeit zu warten, das weiß der Liebhaber des Genres, ist vergebens. Wenn Bronski seinen Helden nun auch noch dazu kriegen könnte, ein bisschen weniger zu plaudern und sich stattdessen intensiver um seine Fälle zu kümmern, würde man dem nächsten Abenteuer des sympathischen Raubeins mit größerer Ungeduld entgegensehen. Zumal das, wenig originell, München Blues betitelte Werk so dünn ist, dass für viele Anekdoten und ausgiebige atmosphärische Schilderungen eigentlich gar kein Platz da sein sollte.
Auch Ricardo Blanco, der in Las Palmas auf Gran Canaria seiner Ermittlertätigkeit nachgeht, zeigt gewisse Probleme, sich auf seinen Fall zu konzentrieren. Schuld daran ist, wie sollte es anders sein, eine Frau. Seltsamerweise stören die Abschweifungen kaum, zumal der Privatdetektiv, während er an der Aufklärung einer Mordserie arbeitet, nicht selten ziemlich benebelt scheint. Dazu passt, dass seine Auftraggeberin, eine junge Frau, die fürchtet, unter Tatverdacht zu geraten, irgendwann aus der Handlung verschwindet und der Fall eine rasante Eigendynamik entwickelt. Am Ende warten ein furioser Showdown und ein ausführliches Geständnis, das einen Blick in die Abgründe des Geschlechterkampfes unter südlicher Sonne gewährt. Tod im April, der zweite Detektivroman des kanarischen Professors José Luis Correa, ist nicht nur wegen seines Handlungsortes interessant, sondern profitiert in hohem Maße von seiner komplex angelegten Hauptfigur, die zudem einen bemerkenswert unprätentiösen Erzähler abgibt.
Zum Schluss noch ein Hinweis auf ein vielversprechendes neues Periodikum: Dieter Paul Rudolph, unter anderem Mitherausgeber des Krimijahrbuchs und Betreiber der besten Website für Krimikritik, Watching the Detectives (bei www.hinternet.de), macht seine scharfsinnigen Essays zur Kriminalliteratur endlich auch gedruckt öffentlich. Makro Scoop soll dreimal jährlich erscheinen. Wie man hört, ist die Abonnentenliste noch nicht geschlossen.

 

Liza Marklund: Nobels Testament. Roman. Aus dem Schwedischen von Anne Bubenzer. 447 Seiten. Hoffmann und Campe. Hamburg 2007. € 19,90.

Charles den Tex: Die Macht des Mr. Miller. Thriller. 447 Seiten. Aus dem Niederländischen von Stefanie Schäfer. Grafit. Dortmund 2007. € 17,90.

Arsen Rewazow: Der schwarze Gral. Thriller. Aus dem Russischen von Anna Serafin. 511 Seiten. Blanvalet. München 2007. € 12,00.

Max Bronski: München Blues. Kriminalroman. 173 Seiten. Kunstmann. München 2007. € 16,90.

José Luis Correa: Tod im April. Ricardo Blanco, Privatdetektiv auf Gran Canaria. Aus dem Spanischen von Verena Kilchling. 252 Seiten. Unionsverlag. Zürich 2007. € 9,90.

Makro Scoop. Erscheint dreimal jährlich. Bestellungen von Abonnements über www.hinternet.de.