|
Unter Nichthelden ist der Antiheld ein Held?
Jochen Möller
In seinem Kurzroman Der Ausbruch erzählt Jörn Birkholz davon, wie Menschen, die nicht zu Helden taugen, mit Schlägen umgehen, mal vom Schicksal zugefügt, mal auch das Ergebnis eigener Makel.
Im Mittelpunkt der Handlung steht der in Bremen stecken gebliebene Archivangestellte Max. Als die temperamentvolle Polin Iza, mit der ihn einst eine turbulente Beziehung verband, wieder in Max' notdürftig stabilisiertem Leben auftaucht, scheint es vorwärtszugehen für die beiden – im Rahmen einer improvisierten Krisen-Reise nach Polen. Am Ende aber sehen wir mehr Bruch als Ausbruch.
Die Stärke des Romans liegt in der schnörkellosen Beschreibung holpriger Lebensetappen von Leuten, die sich wohl oder übel in der Fremde oder gegen Entfremdung behaupten müssen. Antibürgerliche Affekte münden in Antriebslosigkeit. Spielsucht und Alkohol fordern ihren Tribut, und die Frage, ob Liebe möglich ist zwischen unzuverlässigen und manchmal gar gewalttätigen Menschen, bleibt unbeantwortet. Der Roman beleuchtet diese Themen angenehm diskret, weil Birkholz bei seinen Figuren bleibt und etwaige Wertungen uns überlässt.
Max ist ein klassischer Antiheld. Er wird bestenfalls belächelt: "Dein ganzes Leben ist doch'n Krampf!" Zwar könnte er sich mit mehr Selbstbeherrschung durchaus gesellschaftlich etablieren, doch diese Perspektive wirkt nicht überzeugend. Denn er taugt weder zum Erziehungsobjekt seines provinziellen Vorgesetzten, eines Pedanten par excellence, noch zum Familienvater. Lustlosigkeit prägt die mäßige Beziehung mit seiner Lebensgefährtin Annette, in der er sich als passiver "Papa" herumkommandieren lässt. Kein Wunder, dass sein Wiedersehen mit der sprunghaften Iza Hoffnung auf einen Ausbruch keimen lässt, auch wenn er es aufgrund seiner Erfahrungen in ihrem Milieu, die in umfänglichen Rückblenden geschildert werden, besser wissen sollte.
Wer diesen Roman liest, wird zum Mitwisser – und erwartet irgendwann nichts Erbauliches mehr von dessen Personal. Ein Sohn lügt, um seinem Vater eine große Summe aus der Tasche zu leiern. Der stoisch wirkende Wirt in dem Vororts-Vereinsheim, wo sich ein Teil der Handlung abspielt, hat ein Verhältnis mit der Putzfrau. Natürlich hinter dem Rücken seiner Frau, die an der Flasche hängt. Deren Tochter wiederum, die Beinahe-Heldin Iza, ist – nicht ganz überraschend – mit einem fragwürdigen Alphatypen zusammen. So ist es eine angenehme Überraschung, dass gegen Ende auch die Nöte der Beinahe-Ehefrau Annette, die zunächst nur aus Max' genervter Perspektive beschrieben wird, Erwähnung finden.
Als Erzähler überzeugt Jörn Birkholz durch eine trockene Sprache und lapidaren Humor. Beides wiederum passt – fast schon zu gut! – zu einem flachländischen Ambiente, in dem Außenseiter, Sonderlinge und Kleinganoven bei dem zueinanderfinden, was Deutsche und Polen am einfachsten zusammenbringt: Schnaps und Zigaretten. |